Der Rebell
streifte, den sie bei der Hochzeit bekommen hatte, und ihr den neuen ansteckte.
»Oh, wie schön!« rief sie. »Vielen Dank!« Freudestrahlend stand sie auf und küßte ihn.
»Der Juwelier meinte, Diamanten, Smaragde oder Rubine würden sich besser eignen. Aber ich erklärte ihm, die Topase würden zu deinen Augen passen.«
»Ja, die Topase sind wundervoll.« Sie wandte sich ab, kramte in einer Schublade und nahm ein Päckchen heraus, das sie in Ians Hände legte. »Natürlich ist das nicht so schön und wertvoll wie dein Geschenk. Aber ich hab's selber gemacht.«
Neugierig wickelte er einen sorgsam gesäumten Schal aus weicher karierter Wolle aus.
»Das McKenzie-Karo«, erklärte sie, »und sehr warm — für den Winter im Norden.«
»Was für eine gute Idee! Ich danke dir.« Lächelnd legte er den Schal um seinen Hals.
Dann führte er Alaina zum Kamin, und sie setzten sich auf ein bequemes Sofa.
Vertrauensvoll lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Würde dieses Land nicht in so schrecklicher Gefahr schweben, wäre ich ein zufriedener, glücklicher Mann, dachte er.
»Ian?«
»Ja?«
»Ich möchte dir danken — für alles, was du nach Papas Tod für mich getan hast. In dieser schweren Zeit warst du so geduldig und freundlich.«
»Alaina, du bist meine Frau. Natürlich tue ich alles für dich, was in meiner Macht steht.«
»Wirklich?« fragte sie skeptisch. Immer wieder stand die Barriere des Konflikts zwischen ihnen, der den Norden und den Süden entzweite. Wenn er alles für sie tat, was in seiner Macht stand — warum trat er dann nicht aus der US-Army aus?
»Innerhalb vernünftiger Grenzen, meine Liebe.«
»Und du glaubst, ich würde diese Grenzen manchmal überschreiten?«
»Allerdings.«
Plötzlich fröstelte sie.
»Frierst du?« fragte er besorgt. »Soll ich eine Decke holen?«
»Nein, halt mich einfach nur fest.«
Er nahm sie in die Arme, und als sie zärtlich über seine
Wange strich, empfand er einen inneren Frieden, den er lange nicht mehr verspürt hatte.
Vielleicht die Ruhe vor dem Sturm ...
18
Ian hatte ein Haus im Zentrum von Washington gemietet. Obwohl sie nach Einbruch der Dunkelheit ankamen, herrschte auf den Straßen reges Leben und Treiben. Wagenräder ratterten, Pferdehufe klapperten.
Wenn Alaina auch beschlossen hatte, die Stadt zu verabscheuen — es war Liebe auf den ersten Blick. Fasziniert beobachtete sie die Straßenhändler, die über offenen Flammen Nüsse rösteten und lautstark ihre Waren anpriesen, die Zeitungs- und Botenjungen, die trotz der späten Stunde eifrig umhereilten. In allen Häusern brannte helles Licht.
Die Bahnreise war beschwerlich gewesen, die Kutschenfahrt von der Station zu Alainas künftigem Heim über holpriges Pflaster noch unangenehmer. Eigentlich hatte sie erwartet, sie würde nach der Ankunft nur noch den Wunsch empfinden, ins Bett zu sinken. Doch die vielen neuen Eindrücke weckten ihre Lebensgeister.
»Möchtest du das Haus besichtigen?« fragte Ian, als sie aus dem Wagen stiegen.
»Natürlich.«
Sorgsam führte er sie über den vereisten Gehsteig und die Verandastufen hinauf. Die Haustür öffnete sich, und Ian begrüßte einen hochgewachsenen schlanken, weißhaarigen Mann. »Guten Abend, Henry. Dieses ist meine Frau Alaina. Alaina, das ist mein Butler Henry.«
»Sehr erfreut, Mrs. McKenzie.« Der alte Dienstbote verneigte sich höflich, grinste über das ganze faltige Gesicht, und Alaina mochte ihn auf Anhieb. »Herzlich willkommen, Ma'am. Es ist mir eine Ehre, Ihnen zu dienen.«
»Danke, Henry«, erwiderte sie lächelnd.
»Bringen Sie die Köchin und die Zofe meiner Frau in ihre Zimmer, Henry«, bat Ian. »Ich werde Mrs. McKenzie das Haus zeigen.«
»Sehr wohl, Sir.«
Die halbmondförmige Eingangshalle war mit einer modischen marmorierten Tapete ausgestattet. An der hohen Decke hing ein prachtvoller Kristallüster.
Während der Butler mit Bella und Lilly eine geschwungene Treppe hinaufstieg, folgte Alaina ihrem Mann in den Speiseraum, der zur Linken an die Halle grenzte. »Dieses Zimmer benutzen wir nur, wenn wir Gäste haben. Selbstverständlich werden wir vor deiner Niederkunft niemanden einladen. Daneben liegt der Damensalon, hinter der Treppe der große Salon. Auf der anderen Seite findest du die Bibliothek und das Arbeitszimmer.«
Langsam wanderten sie durch alle Räume, und Alaina bewunderte die elegante Einrichtung.
»Du mußt todmüde sein«, meinte Ian. »Gehen wir nach oben.«
»Nein, ich fühle mich sehr wohl
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