Der Rebell
Ihr Baby, meine Liebe?«
»Gegen Ende Januar.«
»Wie wundervoll! Kinder sind ein Gottesgeschenk. Bitte, treten Sie doch näher. Tut mir leid, ich hatte Sie nicht erwartet. Ursprünglich sagte Ian ab. Dann wurde er von seinem Vorgesetzten überredet, meine Party doch zu besuchen, weil heute abend ein paar inoffizielle politische Diskussionen stattfinden. Aber er hätte mir mitteilen sollen, daß Sie ebenfalls kommen würden, meine Liebe.«
Glücklicherweise blieb Alaina eine Antwort erspart, denn Rose Greenhow ergriff ihren Arm und begann, sie mit den anderen Gästen bekannt zu machen.
Schweren Herzens sah Alaina ihren Mann mit der schönsten Frau im ganzen Saal tanzen. Die Tochter des Colonels? Sie war groß und gertenschlank, mit einer perfekten Wespentaille. Glänzendes dunkles Haar umrahmte ein ovales Gesicht mit grünen Augen, die sich bei Alainas Anblick verdunkelten.
»Kommen Sie, meine Liebe!« Rose Greenhow führte den Neuankömmling zu den nächsten Gästen und fügte im Flüsterton hinzu: »Glauben Sie mir, die Leute konnten es kaum erwarten, Sie kennenzulernen. Und sie freuen sich so, daß Sie heute abend erschienen sind.«
Das bezweifelte Alaina. Die vornehmen Washingtoner Damen würden die Anwesenheit einer hochschwangeren Frau sicher verurteilen und bösartige Klatschgeschichten verbreiten. Nun, daran war sie gewöhnt, nachdem sie im südlichen Florida für einen Skandal gesorgt hatte.
Trotzdem wäre sie am liebsten davongelaufen, als die Tochter des Colonels etwas in Ians Ohr flüsterte. Er drehte sich um — und hielt mitten im Walzerschritt inne. Wie gut er seine Gedanken und Gefühle verbarg ...
Aber Alaina kannte ihn, sah den Puls in seinem Hals pochen, den Zorn, der seine Miene verdüsterte. Könnte sie sich doch irgendwo verkriechen! Doch das war unmöglich. Ein Dienstbote nahm ihr den Umhang ab, und sie stand da in ihrem schwarzen Spitzenkleid, zwang sich zu lächeln und reichte all den Leuten die Hände, die ihr vorgestellt wurden.
Schließlich führte Mrs. Greenhow sie zur schönen Tochter des Colonels. »Ah, da sind Sie ja, meine liebe Risa! Das ist Alaina, Ians Frau. Und Risa ist Colonel Magees Tochter. Sicher werdet ihr beiden die besten Freundinnen.«
Mit frostigem Lächeln starrten sich die jungen Frauen an.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Magee«, würgte Alaina hervor.
»Oh, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte Risa höflich. »Mein Vater und ich sind schon so lange mit Ian befreundet. Natürlich konnten wir's kaum erwarten, die Bekanntschaft seiner Gemahlin zu machen.«
In Risas grünen Augen erschien ein seltsamer Glanz und verriet Alaina, daß sie durchschaut wurde. O ja, diese Frau wußte, daß es in Ians Ehe Probleme gab.
Plötzlich fühlte Alaina sich elend. Ich bin es, die seinen Ring trägt, die sein Kind erwartet, dachte sie. Und das muß Risa Magee zutiefst verletzen — die Frau, die er heiraten wollte.
»Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. McKenzie?« fragte Risa.
»Doch, sehr gut ...« Und dann merkte Alaina, daß Ian hinter ihr stand, mit ihrem Cape.
»Wie nett, daß du doch noch auf die Party gekommen bist, meine Liebe«, bemerkte er kühl. »Aber ich denke, jetzt warst du lange genug hier.«
Brennende Röte stieg ihr in die Wangen, und sie kam sich vor wie ein ungezogenes Kind, das gemaßregelt wurde — vor Mrs. Rose Greenhow, vor den Spitzen der Washingtoner Gesellschaft.
»Aber — ich fühle mich großartig ...«, stammelte sie. Im gleichen Augenblick spürte sie einen Wasserschwall zwischen den Beinen, die Fruchtblase war geplatzt. Darauf hatte Jennifer sie hingewiesen und erklärt, dieses Ereignis würde die Wehen einleiten.
Ein stechender Schmerz durchfuhr Alainas Rücken. In wilder Panik schaute sie sich um und begegnete Risa Magees Blick. Die Tochter des Colonels erfaßte die Situation sofort.
Hastig drehte sie sich um und stieß ein volles Bierglas aus der Hand eines Offiziers. »O Gott, wie ungeschickt von mir! Nun sehen Sie doch, welche Bescherung ich angerichtet habe!«
»Das macht nichts, meine Liebe«, erwiderte Rose Greenhow beruhigend. »Darum brauchen Sie sich nicht zu sorgen.«
Dankbar erwiderte Alaina das Lächeln der Gastgeberin
— und fühlte sich erneut gedemütigt, als Risa sich zu Ian neigte. »Jetzt solltest du deine Frau nach Hause bringen, mein Lieber. So schnell wie möglich.«
19
Am 10. Januar 1861 sagte sich Florida offiziell von der Union los, als dritter Staat nach Mississippis Sezession am 9.
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