Der Rebell
Dich und das Baby auf. Alles Liebe, Jennifer.
Der Brief war vor einigen Wochen datiert worden, was Alaina um so größere Sorgen bereitete. Was mochte inzwischen geschehen sein?
Während die Nation auseinanderfiel, gedieh Sean prächtig und spendete seiner Mutter ein wenig Trost. Auch Rose Greenhows Einladungen lenkten sie von ihrem Kummer ab. Die Witwe strahlte trotz der bedrohlichen Situation eine beruhigende Gelassenheit aus, ebenso wie Risa, der Alaina regelmäßig in Roses Haus begegnete.
Die Ressentiments, die Risa gegen Alaina hegte, wurden durch trockenen Humor gemildert. Eines Nachmittags beschlossen die beiden jungen Frauen, in Roses Küche Kekse zu backen.
Versehentlich ließ Alaina einen Meßbecher voller Mehl fallen. Risas Kleid wurde über und über bestäubt. Wenig später stellte sie die Mehlschüssel etwas zu heftig ab, das Mehl flog empor und rieselte auf Alainas Rock. Da bewarfen sie einander mit dem restlichen Mehl, verwandelten die Küche in ein Chaos und lachten schallend, bis Sean erwachte und schreiend nach seiner Milch verlangte.
»Kann ich ihn stillen, ohne eine weitere Mehlsalve zu riskieren?« fragte Alaina.
»Von mir haben Sie nichts zu befürchten — was allerdings nicht für eine gewisse Witwe gilt, die bei Tampa lebt.« Als Alainas Atem stockte, berührte Risa ihre Schulter. »Tut mir leid — ich dachte, Sie kennen diese Frau.«
»Ja, ich kenne sie. Ihretwegen mußte ich Ian heiraten — weil er mich für Mrs. Trehorn hielt, als ich nackt im Teich schwamm.«
»Ah, ich verstehe ... Nun, manche Frauen werden für ihr sittsames Benehmen bestraft. Hätte ich nicht stets auf die Schicklichkeit geachtet, wäre ich jetzt mit Ian verheiratet.«
»Sie haben ihn sehr geliebt, nicht wahr?«
»O ja«, bestätigte Risa. »Aber keine Bange, ich werde Ihre Ehe nicht bedrohen. Sie wissen doch, wie tugendhaft ich bin.«
Lächelnd nickte Alaina ihr zu. »Vor Mrs. Trehorn habe ich keine Angst. Ian hat sich nur mit ihr amüsiert — wäh rend er in Sie verliebt war. Vielleicht liebt er Sie immer
noch.«
»Und wenn schon? Sie sind seine Frau, und Sie haben ihm einen wunderbaren Sohn geschenkt — der immer lauter brüllt. Wollen Sie ihm nicht endlich die Brust geben?«
Alaina lachte. Zu ihrer eigenen Überraschung umarmte sie Risa, bevor sie das Mehl von ihren Händen wischte und Sean aus seinem Körbchen hob. Seltsamerweise gewann sie den Eindruck, sie hätte eine gute Freundin gefunden.
Während Risa entschieden für die Union eintrat, war Rose Greenhow anderer Meinung und machte keinen Hehl aus ihrer Sympathie für den Süden — nicht einmal dann, wenn sie mit den Offizieren der US-Army, Kabinettsmitgliedern und Kongreßabgeordneten flirtete. Alaina, die ihre Meinung für sich behielt, beobachtete die Witwe belustigt und schloß sie in ihr Herz.
Allmählich versammelten sich die Kontingente der US-Army in Washington, und der Kriegsausbruch rückte immer näher. Alaina erwog, nach Florida zu reisen, obwohl Ian ihr befohlen hatte, in der Hauptstadt zu bleiben. Wenn sie ihre Schwiegereltern aufsuchte, konnte Ian sie wohl kaum für illoyal halten — schon gar nicht, nachdem er sie verlassen hatte.
Eines Abends, Anfang April, wurde sie wieder einmal von Rose zu einer >Dinnerparty im kleinen Kreis< eingeladen.
Sie beschloß, ihre Freundin um Rat und Hilfe zu bitten. Wie sie inzwischen erfahren hatte, befürwortete Rose die Sklaverei, weil ihr Vater von einem Schwarzen ermordet worden war.
Am Abend der Party zog Alaina eines ihrer neuen Trauerkleider an, die sie nach Seans Geburt hatte schneidern lassen. Der Ausschnitt war etwas tiefer als bei ihrer übrigen Garderobe, und das enge Oberteil wurde mit zahlreichen winzigen Knöpfen geschlossen. Über den kurzen Ärmeln lag ein kostbarer Spitzenschal.
Sobald sie das Greenhow-Haus betrat, eilte ihr die Gastgeberin entgegen und küßte sie auf beide Wangen. »Wie zauberhaft Sie aussehen, Alaina! Ihr Mann wäre stolz auf Sie. Würden Sie mir einen Gefallen tun? Auf der Veranda stehen ein paar junge Soldaten herum, die eben erst in Washington eingetroffen sind und sich einsam fühlen. Darf ich sie mit Ihnen bekannt machen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, führte sie Alaina durch die Glastür ins Freie. Die Soldaten lehnten am Geländer. Beim Anblick der beiden Damen richteten sie sich hastig auf.
»Hallo, Jungs!« rief Rose. »Ich habe euch Major Ian McKenzies Gemahlin mitgebracht. Vielleicht werdet ihr bald an seiner Seite reiten. Alaina,
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