Der Rebell
Taille.
»Laß mich los ...« Doch eigentlich wollte sie seine Nähe spüren, seine Beteuerung hören, dies alles sei schrecklich und breche ihm das Herz. Natürlich würde er Florida die Treue halten und seinen Dienst bei der US-Army quittieren, um für die Konföderierten Staaten von Amerika zu kämpfen. Aber er sagte nichts dergleichen. »Du bist ein Verräter«, fauchte sie, »ein Verräter an deinem Staat, an deinem Volk!«
»Hör auf, Alaina!«
»O nein! Laß mich los! Du sollst mich nicht mehr anrühren, nie wieder!«
»Alaina, du bist meine Frau ...«
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Ich will nach Hause!«
»Sei doch vernünftig ...«
»Ich muß nach Hause zurückkehren ...«
Da nahm er sie noch fester in die Arme. »Wenn du jetzt gehst und mich in aller Öffentlichkeit mit deinen politischen Ansichten demütigst, werde ich dich zurückholen. Und falls du mich verlassen willst, trennst du dich auch von deinem Sohn. Solltest du versuchen, ihn zu entführen und im Sumpf zu verstecken — vergiß nicht, daß ich dieses Gebiet viel besser kenne als du. Ich würde dich finden, überall. Alaina, wir sind verheiratet und müssen zusammenstehen, in guten wie in schlechten Tagen. Daran werde ich dich stets erinnern.« In seiner Stimme schwang eine unmißverständliche Drohung mit. »Du wirst in Washington bleiben. Das ist ein Befehl.«
»Oh, zum Teufel mit dir!« zischte sie erbost. »Wie kannst du deiner Heimat den Rücken kehren?«
»Ich kehre Florida nicht den Rücken. Aber ich bin gegen die Sezession. Selbstverständlich wird der Norden den Krieg gewinnen. Und nach dem Blutbad werde ich mithelfen, meine Heimat wiederaufzubauen.«
Entgeistert schaute sie ihn an, als zweifelte sie an seinem Verstand. »Also gut, ich werde nicht davonlaufen. Aber in meinen Augen bist du ein Verräter. Faß mich nicht an!« Plötzlich ließ er sie los, so abrupt, daß sie schwankte. »In South Carolina hat man dich einen Yankee genannt — einen Feind! Und genau das bist du. Ein Yankee! Du gehörst zu dieser verdammten Army, die sich weigert, die Mörder meines Vaters zu bestrafen!«
»Dein Vater kam bei einem bedauerlichen Unfall ums Leben.«
»Durch fahrlässige Tötung!«
»Wie auch immer ...«
»Und du bist ein Teil dieser gräßlichen Bürokratie!«
»Hör doch, Alaina ...«
»Von einem elenden Yankee lasse ich mir nichts sagen.«
»Trotzdem bist du mit einem Yankee verheiratet.« Er verbeugte sich formvollendet, dann ging er davon. Freundlich blieb er stehen, als ihn jemand ansprach, lachte mit einem Freund und unterhielt sich mit mehreren Leuten. Mrs. Greenhow klopfte auf seine Schulter. Nachdem sie ein paar Worte gewechselt hatten, küßte er ihr galant die Hand und führte sie auf die Tanzfläche.
Bedrückt wandte sich Alaina ab und kämpfte mit den Tränen. Wie freudig sie diesem Abend entgegengefiebert hatte ... Und jetzt sehnte sie sich nach der Einsamkeit ihres Schlafzimmers.
Auf dem Weg zum Ausgang wurde sie immer wieder von Bekannten aufgehalten, die ihr zur Geburt ihres ersten Kindes gratulierten und fragten, ob sie sich in Washington wohl fühle. Da sie das tropische Klima von Florida gewohnt sei, würde sie im kalten Norden sicher frieren, nicht wahr?
Mit einem gezwungenen Lächeln beantwortete sie alle Fragen, und es gelang ihr, ebenso nonchalant zu wirken wie ihr Ehemann.
Endlich erreichte sie die Tür. Ein Dienstmädchen brachte ihr den Umhang, und sie erklärte Ians Kutscher, einem freigelassenen Schwarzen, sie müsse nach Hause fahren, um ihr Baby zu stillen. Was sogar stimmte. Ihre prall gefüllten Brüste schmerzten, und sie hoffte, Sean würde hungrig sein.
Sobald sie die Halle erreichte, hörte sie ihn auch schon schreien und eilte in ihr Schlafzimmer hinauf. Hastig öffnete sie ihr Kleid und nahm das Baby aus Lillys Armen. Sie versuchte zu verbergen, wie ihr zumute war.
Aber die Zofe schüttelte seufzend den Kopf. »Sie sind sehr aufgeregt, Missus, und Sie werden auch ihr Kindchen aufregen.«
»Unsinn ...«
»Aber wenn Sie sich ärgern, wird bestimmt die Milch sauer.« »Bitte, Lilly ...«
»Die ganze Zeit wußten Sie, daß Florida von der Union abfallen würde. Jetzt ist's passiert. Aber was da draußen in der Welt vorgeht, braucht Sie nicht zu kümmern, Missus. Sie sind verheiratet. Und Sie müssen zu Ihrem Mann
halten.«
»Er ist so blind, so unvernünftig!« stieß sie hervor, und Sean begann zu weinen. Also hatte Lilly recht, der Säugling spürte den Zorn seiner
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