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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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doch seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist das eine glatte Lüge. »Nimm den Roller«, sage ich, »den kannst du mir ein andermal zurückbringen.« Er sieht mich skeptisch an, doch dann nickt er. »Okay, heute Abend bringe ich ihn dir wieder.« Seine Haare stehen in alle Richtungen, er hat Augenringe und sieht müde aus. Er hat es für mich getan, denke ich und muss unwillkürlich lächeln. Er sieht mich an, als wollte er noch etwas sagen, dann steigt er auf den Roller und startet den Motor. »Ciao«, sagt er mit halbem Lächeln. »Bis nachher«, antworte ich und lächele zurück.
    Als ich hereinkomme, ist Nonna in der Küche und behauptet, sie sei gerade erst aufgestanden. »Hast du Spaß gehabt?« – »Kein bisschen.« Ich lasse meine Jacke auf die Bank im Flur fallen. »Die Kneipe war blöd und die Musik noch schlimmer.« Ich will gerade im Bad verschwinden, als die erwartete Frage kommt. »Ist der Junge ein Schulkamerad von dir?« Nonnas Stimme klingt sanft und von der Müdigkeit und dem Warten ein wenig heiser. »Ja, sein Roller ist kaputtgegangen, und da habe ich mich herbringen lassen und ihm meinen geliehen. Heute Nachmittag bringt er ihn mir zurück.« – »Das war nett von dir.« Sie steckt den Kopf in den Flur und auf ihrem müden Gesicht liegt das warme Lächeln meiner Mutter. Sie weiß,dass ich nicht die Wahrheit sage, selbst ein Blinder sieht, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann, aber sie hat keine Kraft, mir Vorwürfe zu machen.
    »Claudia hat gestern Abend angerufen, sie wollte mit dir reden. Denkst du dran, sie anzurufen, wenn du wieder wach bist?«
    Ich nicke und wir sehen uns an, gebannt in diesem Augenblick, zwischen ihr und mir die Tür eines stillen Zimmers. In meiner Erschöpfung kommt mir plötzlich die Geschichte von Persephone in den Sinn. Ich frage mich, welche Jahreszeit wir durchwandern.

27. November
    »Danke«, sage ich, als er vom Roller steigt und mir den Schlüssel hinhält. Ich schäme mich in Grund und Boden und kann ihm nicht in die Augen sehen. »Das war wirklich nett von dir«, stammle ich weiter und hoffe, dass er endlich etwas Erlösendes sagt. »Ohne dich säße ich noch immer auf der Couch im Mouse.« Er lächelt mich an. Er hat die Hände in den Jackentaschen vergraben und sieht weg, vielleicht ist er auch befangen, aber bestimmt nicht so wie ich. Wenn ich an meine jämmerliche Show denke, sollte ich mir für die nächsten zwanzig Jahre ein Double zulegen. »Wenn ich’s nicht getan hätte, hätte es eine deiner Freundinnen getan.« – »Ach ja? Und welche? Ich hab nämlich nicht mehr viele, denen ist es doch völlig schnuppe.« Es folgt ein peinliches Schweigen. Er verlagert das Gewicht von einem Bein aufs andere. »Okay«, sagt er schließlich und macht einen Schritt zurück, »ich gehe jetzt mal besser.« – »Soll ich dich bringen?« – »Na klar, dann sind wir den ganzen Abend damit beschäftigt, uns gegenseitig nach Hause zu bringen.« Er grinst, und ich pruste los, nicht wegen seiner Bemerkung, sondern weil ich mich freue, ihn endlich einmal gut gelaunt zu sehen. »Ist schon in Ordnung, ich geh zu Fuß. Sind sowieso nur ein paar Schritte.« – »Es ist doch viel zu kalt. Ich erlaub’s dir nicht.« Plötzlich will ich nicht, dass er geht und mich allein lässt. Zögernd und belustigt sieht er mich an. Ich nehme all meinen Mut zusammen. »Na los, ich lade dich auf ’ne Pizza ein, dann habe ich wenigstens nicht mehr so ein schlechtes Gewissen wegender schlaflosen Nacht, die ich dir bereitet habe.« Wieder grinst er und vergräbt das Kinn in seinem olivgrünen Schal. »Dann musst du mir wohl ’ne Riesenpizza spendieren.«
    Wie hübsch seine Augen sind. Er steht da, unschlüssig, ob er bleiben oder gehen soll. »Ich geb dir zwei aus.« Etwas hat sich verändert, und ein paar Sekunden stehen wir verlegen da und sehen uns an. »Also ist das ein Ja«, sagte ich. »Ich renn schnell nach oben und hol meine Jacke.« – »Okay, ich warte hier.« Er klingt nicht wirklich überzeugt, aber das ist egal, ich bin einfach nur froh, dass er meine Einladung angenommen hat.
    Wir gehen ins Blue Moon, eine große Familien-Pizzeria im Zentrum. Es ist laut und voller Kinder, die durch den riesigen Gastraum flitzen, in dem ständig der Fernseher läuft. Nicht der beste Ort für zwei, die sich unterhalten wollen, aber zumindest treffen wir dort niemanden aus der Schule. Es ist mir egal, ob die uns zusammen sehen, aber wenigstens heute Abend will ich nicht von ihnen

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