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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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rumgeknutscht. Sie entspannt sich. »Du findest diesen Blödmann doch nicht etwa toll.« Sie wird rot und beichtet mir, dass sie total in ihn verknallt ist. Letzten Sommer seien sie einen Monat zusammen gewesen, dann habe er in den Ferien eine andere getroffen und sie hätten Schluss gemacht, weil er mit der im Bett gelandet sei. Wegen meiner Mutter hätte sie mir nie was gesagt, da hätte sie mich doch nicht mit ihren albernen Problemen belämmern können. Ich weiß, weshalb sie mir nichts gesagt hat, und auch, weshalb sie letzten Sommer mit ihm zusammen war, ohne es mir zu erzählen. Wie jämmerlich feige, nur aus Angst,Giovanni könnte was von mir wollen. Aber eigentlich bin ich froh, jetzt ist klar, wieso sie gekommen ist. Dann geht sie mir wenigstens nicht länger mit Gabriele auf die Nerven. Während sie weiterredet, geht mir auf, dass ich und der Grund, weshalb ich den Platz gewechselt habe, ihr eigentlich völlig schnuppe sind. Umso besser, dann kratzt es mich noch weniger, wenn sie wegen dieser Pfeife leidet. Sie sagt, seit sie Schluss gemacht haben, hätten sie nicht mehr miteinander gesprochen, und ihr gehe es total mies. Giovanni sei wohl ein bisschen hinter mir her und habe meine Abfuhr vielleicht nicht gut weggesteckt. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass sie möglicherweise recht hat, doch stattdessen beteure ich, er sei überhaupt nicht mein Fall und sie solle unser kleines Intermezzo auf der Couch im Mouse getrost zu den Akten legen.
    Als wir mit den Hausaufgaben fertig sind, ist es spät geworden. Ehe sie geht, verabschiedet sie sich von meiner Großmutter in der Küche. »Wie geht es ihr?«, fragt sie mich an der Tür. Als wäre meiner Großmutter die Tochter gestorben und mir nur die Katze. Selbst mein zukünftiger Maurer könnte nicht derart unsensibel sein. »Beschissen«, erwidere ich kalt und belasse es dabei, denn inzwischen habe ich kapiert, dass sie nur aus Eigeninteresse gekommen ist und sich das übrige Theater ruhig hätte sparen können. Ich schließe die Tür, atme durch und kehre in mein Zimmer zurück.
    Endlich flackern in Zerolandia die Abendlichter auf: lauter Sterne.

Als ich dich gebadet habe
    Ich war aus dem Schwimmbad zurückgekommen, und bis auf einen dünnen Lichtstrahl, der unter der Badezimmertür hindurchsickerte, herrschte in der Wohnung völlige Finsternis. Alarmiert von der Dunkelheit, hatte ich sofort laut nach dir gerufen. »Ich bade gerade, Nonna ist weggegangen«, hattest du geantwortet. Erleichtert, deine Stimme zu hören, hatte ich dich gefragt, ob alles in Ordnung sei. Du hattest ja gesagt und gefragt, ob ich dir den Rücken waschen könnte. Schon seit ein paar Jahren hatte die Intimität zwischen uns aufgehört, war eine von uns im Bad, blieb die andere draußen. Also trat ich zögernd ein. Mit unters Kinn gezogenen Knien und feuchtem Haar saßest du in der vollen Wanne. Du hast dich umgedreht und mir mit einem matten »Danke« den Schwamm hingehalten, und ich habe mir die Sweatshirtärmel hochgekrempelt. Du warst so abgemagert, dass man jeden Wirbel sah. Dein Hals war ganz dünn und im Nacken bildeten die nassen Strähnen kurze, dunkle Linien. Plötzlich kamst du mir wahnsinnig zerbrechlich vor. Ich tat alles ganz behutsam. Nach dem Rücken wusch ich dir die Haare, wobei ich aufpasste, dass du kein Wasser in die Augen bekamst, genau wie du, als ich noch klein war. Während ich dich wusch, dachte ich, dass dies nicht mehr der Körper war, den ich kannte. Ich dachte an die Operation, an die ständigen Untersuchungen, an die Tests, die Therapien, die Ärzte und Krankenschwestern, die dich gesehen hatten, und an diesen Körper, der weniger geworden zu sein schien, als fordereer Schutz und Schonung ein. Vorsichtig habe ich dir beim Aufstehen geholfen und du hast dich in den Bademantel gewickelt, den ich zum Wärmen auf die Heizung gelegt hatte. Ich weiß noch, dass du jedes Mal, wenn ich mit etwas fertig war – dich waschen, dich abtrocknen, dich kämmen –, lächelnd »Danke, Alessandra« sagtest, als wolltest du mir zu verstehen geben, ich dürfe gehen, doch ich machte weiter, als könnte ich meine Kraft mit dir teilen, als könnten meine Hände dir etwas zurückgeben, die Zeit zurückdrehen und zusammen mit der Krankheit die grausige Narbe verschwinden lassen, die sich von deinem Rücken bis zum Unterleib zog. Ich konnte einfach nicht aufhören, etwas für dich zu tun. Ich hatte die Heilmethode gefunden, ich hatte meine Liebe gespürt.

Erster Dezember
    Als

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