Der Regen in deinem Zimmer - Roman
Stunde später sitze ich schon wieder auf dem Roller und kehre in die Stadt zurück. Bei Oviesse bringe ich eine Stunde damit zu, Kleider und T-Shirts anzuprobieren, aber ich bin nicht in Stimmung und gehe wieder, ohne etwas zu kaufen. In der Parfümerie hantiere ich mit Düften, Lidschatten und allerlei Krimskrams herum, den man sich ins Gesicht schmieren kann, um hübscher auszusehen. Die Verkäuferinnen, die kaum älter sind als ich, stehen schwatzend in der Ecke und lassen mich nach den ersten pflichtschuldigen Fragen komplett in Ruhe. Verwirrt, genervt, das Gesicht voller Schminke, kehre ich kurz vor eins nach Hause zurück. Auf der Treppe kriege ich zwei SMS von Sonia: In der ersten gratuliert sie mir und in der zweiten fragt sie mich, ob sie mir die Hausaufgaben vorbeibringen soll. Im Grunde versucht sie nur, nett zu sein. Ich beschließe, sie auf die Probe zu stellen und tippe zurück, sie solle doch am Nachmittag vorbeikommen.
Zum Mittagessen setzt Nonna mir all meine Lieblingsgerichte vor und bemüht sich, unbeschwert zu sein. Obwohl ich mir nichts gewünscht habe, stellt sie mir zum Nachtisch ein kleines Schmuckschächtelchen hin. Sie hat mir ein Paar Ohrringe mit echten Brillanten gekauft. Ich lege sie sofort an, beuge mich über den Tisch und umarme und küsse sie. Es ist besser gelaufen als gedacht. Wenn an einem Tag wie diesem keine von uns beiden weint, ist das schon ziemlich gut. Oder vielleicht ist es einfach das, was ich mir am meisten wünsche?
Sonia kommt eine halbe Stunde zu früh. Kaum ist sie in meinem Zimmer, nimmt sie mich in die Arme und drückt mir ein Päckchen in die Hand. Ich mache es auf und ziehe ein Paar rosa Plüschohrenschützer hervor, die man an den iPod anschließen kann, um mit warmen Ohren Musik zu hören. Ich bedanke mich und sage, dass ich sie ganz toll finde, dabei bin ich die Letzte, die mit solchen bonbonrosa Dingern auf den Ohren losrennt. Doch Bedanken reicht Sonia nicht, ich muss sie sofort aufsetzen. Widerwillig stülpe ich sie mir über und drehe mich zum Spiegel um: Ich sehe aus wie ein kleines Mädchen, strecke mir die Zunge heraus und schneide Grimassen, und Sonia lacht zufrieden.
Behutsam lege ich die Ohrenschützer aufs Bett und frage sie, ob es viel zu tun gibt. Sie zieht das Hausaufgabenheft hervor und setzt mich wie eine persönliche Sekretärin über alles in Kenntnis: Unterricht, Abfragungen, Hausaufgaben. Zum Glück sind die meisten Aufgaben Mathe und Geschichte, meine Lieblingsfächer. Wir beschließen, Mathe zusammen zu machen, und klappen die Bücher auf. Zwischendrin erkundigt sie sich nach dem Abend im Mouse, aber es stört mich nicht. Ich habe nichts zu verbergen, schließlich ist zwischen mir und Gabriele rein gar nichts gelaufen. Sie sagt mir, er sei heute in der Schule gewesen. Umso besser, dann denkt wenigstens niemand, wir sind zusammen. Ich nutze die Gelegenheit und schildere ihr meine Version des Abends: Er habe mich lediglich an die frische Luft begleitet, und als es mir besser ging, sei ich allein nach Hause gefahren. Offenbar schluckt sie es, was sie aber nicht davon abhält, zu fragen, weshalb ich den Platz gewechselt habe. »Nur so, aus Spaß. Ich fand’s öde und wollte sehen, was passiert.« Sie sieht mich abwartend an. Ich weiß,dass das keine Antwort ist, ich würde mich auch nicht damit zufriedengeben. »Na ja, ich weiß auch nicht. Mir geht’s gerade nicht so doll, können wir über was anderes reden? Gabriele ist mir total wurst, ich wollte nur ein bisschen Abstand zu dieser Klasse von Idioten kriegen. Du hast nichts damit zu tun, ehrlich. Jetzt ist es eben so, geht auch wieder vorbei, ist nichts Persönliches.« Sie sieht ein bisschen beruhigter aus, wir machen mit den Aufgaben weiter, und einen Moment lang kommt es mir vor, als wäre wieder alles wie früher, wie vor zwei Jahren, als wir Freundinnen waren und uns um nichts einen Kopf machen mussten. Plötzlich sieht sie auf und sagt mit ernster Miene: »Und Giovanni?« Na bitte, jetzt weiß ich, was ihr eigentlich auf dem Herzen lag. Ihr versonnener Blick spricht Bände. Ich muss noch nicht einmal antworten. Als sie mich mit ihm auf der Couch im Mouse habe rumknutschen sehen, gesteht sie mir, habe sie gedacht, ich würde mit ihm im Bett landen. Ich bin erleichtert: ich und Gabriele sind ihr völlig schnuppe. Bereitwillig erkläre ich ihr, Giovanni sei ein Arschloch und zwischen uns laufe absolut nichts. Ich hätte völlig neben mir gestanden und womöglich mit jedem
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