Der Regenmacher
Vorschriften, und ich müßte die Sache eben verschieben und mit allen Beteiligten einen neuen Termin ausmachen. Tut ihm alles sehr leid. Er würde die Vernehmung natürlich am liebsten bis nach der Beerdigung verschieben. Ich lege auf, dann rufe ich Richter Kipler an. Minuten später ruft Kipler Drummond an, und nach ein paar kurzen Bemerkungen wird die Vernehmung ins Haus von Dot und Buddy Black verlegt. Seltsamerweise will Kipler bei der Vernehmung anwesend sein. Das ist äußerst ungewöhnlich, aber er hat seine Gründe. Donny Ray ist schwerkrank, und dies ist möglicherweise unsere einzige Chance, ihn zu vernehmen. Es hängt also alles von der Zeit ab. Nicht selten kommt es bei Vernehmungen zu heftigen Streitereien zwischen den Anwälten. Oft muß dann zum Telefon gegriffen und der Richter ausfindig gemacht werden, von dem dann erwartet wird, daß er den Streit über eine Konferenzschaltung beilegt. Wenn der Richter unauffindbar ist und der Streit nicht beigelegt werden kann, wird die Vernehmung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut angesetzt. Kipler glaubt, daß Drummond und Genossen versuchen könnten, das Verfahren zu torpedieren, indem sie einen sinnlosen Streit vom Zaun brechen und dann empört da-vonstürmen.
Aber wenn Kipler dabei ist, wird die Vernehmung reibungslos ablaufen. Er wird über Einsprüche entscheiden und dafür sorgen, daß Drummond bei der Sache bleibt. Abgesehen davon, sagt er, ist Samstag, und er hat nichts anderes zu tun.
Außerdem glaube ich, er macht sich Sorgen, wie ich meine erste Zeugenvernehmung überstehen werde. Dazu hat er allen Grund.
Freitag nacht verbringe ich einige schlaflose Stunden damit, mir genau zu überlegen, wie die Vernehmung im Haus der Blacks arrangiert werden kann. Es ist feucht und dunkel, und die Beleuchtung ist grauenhaft, was ein großes Problem ist, weil Donny Rays Aussage auf Video festgehalten werden soll. Die Geschworenen müssen einen Eindruck davon bekommen, wie entsetzlich er aussieht. Das Haus hat nur eine ganz bescheidene Klimaanlage, und die Temperatur beträgt drinnen mehr als dreißig Grad. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man fünf oder sechs Anwälte, einen Richter, eine Protokollantin, den Bediener der Videokamera und Donny Ray irgendwo im Haus halbwegs komfortabel unterbringen kann.
Ich hatte Alpträume von Dot, die uns mit riesigen Wolken von blauem Qualm erstickt, und von Buddy im Hintergarten, der leere Ginflaschen gegen die Fenster schleudert. Ich schlief weniger als drei Stunden.
Eine Stunde vor der Vernehmung komme ich beim Haus der Blacks an. Es kommt mir noch kleiner und heißer vor als sonst. Donny Ray sitzt im Bett, in etwas besserer Verfassung, und behauptet, der Herausforderung gewachsen zu sein. Wir haben stundenlang darüber gesprochen, und vor einer Woche habe ich ihm eine ausführliche Liste mit meinen Fragen und dem gegeben, was ich von Drummond erwarte. Er sagt, er wäre bereit, und ich entdecke eine Spur von nervöser Erregung. Dot macht Kaffee und wäscht die Wände ab, schließlich hat man nicht jeden Tag einen Haufen Anwälte und einen Richter zu Besuch. Donny Ray sagt, sie hätte die ganze Nacht geputzt. Buddy durchquert das Wohnzimmer, als ich gerade ein Sofa zurechtrücke. Auch er ist geschrubbt worden. Sein Hemd ist weiß, die Zipfel stecken in der Hose. Ich kann mir vorstellen, wie Dot ihn angekeift haben muß, um das zu erreichen.
Meine Mandanten bemühen sich, präsentabel zu sein. Ich bin stolz auf sie.
Deck erscheint mit einem Haufen von Gerätschaften. Er hat sich von einem Freund eine veraltete Videokamera geliehen, die mindestens dreimal so groß ist wie die neuen Modelle. Er versichert mir, daß sie einwandfrei funktionieren wird. Es ist seine erste Begegnung mit den Blacks. Sie beobachten ihn argwöhnisch, zumal Buddy, der dazu abkommandiert worden ist, einen Tisch abzustauben. Deck nimmt das Wohnzimmer und die Küche in Augenschein und erklärt mir leise, daß der Platz einfach nicht ausreicht. Er schleppt ein Stativ ins Wohnzimmer, stößt dabei einen Zeitschriftenständer um und handelt sich einen wütenden Blick von Buddy ein.
Das Haus ist ziemlich vollgestopft mit kleinen Tischen und Fußbänken und anderem Mobiliar aus den Sechzigern, auf dem überall billige Souvenirnippes herumstehen. Es wird von Minute zu Minute heißer.
Richter Kipler trifft ein, wird mit allen bekanntgemacht, fängt an zu schwitzen, und ein oder zwei Minuten später sagt er: »Lassen Sie uns einen
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