Der Regenmacher
auf zehn Millionen Dollar verklagt.«
»Ist das alles?« fragt sie.
»Wie bitte?«
»Ich dachte, es wäre wesentlich mehr.«
»Ach, wirklich?«
»Ja. Ihre Mandanten haben eine Milliarde Dollar, und Ihre Mandanten haben meinen Sohn umgebracht. Ich wollte sie auf wesentlich mehr verklagen.«
Drummonds Knie geben ein wenig nach, und er verlagert sein Gewicht. Aber er lächelt trotzdem weiter, ein bemerkenswertes Talent. Anstatt sich hinter eine harmlose Frage zurückzuziehen oder zu seinem Platz zurückzukehren, macht er mit Dot Black noch einen letzten Fehler. Auch das ist eine seiner Standardfragen. »Was werden Sie mit dem Geld anfangen, wenn die Geschworenen Ihnen zehn Millionen Dollar zusprechen?«
Man stelle sich vor, man müßte diese Frage aus dem Handgelenk heraus vor einem öffentlichen Gericht beantworten. Aber Dot ist vorbereitet. »Ich würde es der American Leukemia Society geben. Bis auf den letzten Cent. Ich will keinen Penny von Ihrem stinkenden Geld.«
»Danke«, sagt Drummond und kehrt rasch zu seinem Tisch zurück.
Zwei der Geschworenen kichern hörbar, als Dot den Zeugenstand verläßt und sich wieder neben mich setzt. Drummond sieht blaß aus.
»Wie war ich?« füstert sie.
»Sie haben es ihm gegeben, Dot«, flüstere ich zurück.
»Ich brauche eine Zigarette.«
»Wir werden gleich unterbrechen.«
Ich rufe Ron Black in den Zeugenstand. Auch er hat ein Skript, und seine Vernehmung dauert nicht einmal eine halbe Stunde. Alles, was wir von Ron brauchen, ist die Bestätigung, daß die Tests bei ihm durchgeführt wurden, daß er ein idealer Spender für seinen Zwillingsbruder gewesen wäre und daß er immer bereit war, als Spender zu fungieren. Drummond verzichtet auf ein Kreuzverhör. Es ist fast elf Uhr, und Kipler ordnet eine zehnminütige Pause an.
Dot eilt in die Toilette und verzieht sich in eine Kabine, um sich eine Zigarette anzustecken. Ich habe sie davor gewarnt, vor den Geschworenen zu rauchen. Deck und ich sitzen an unserem Tisch beisammen und vergleichen unsere Eindrücke. Er sitzt hinter mir, und er hat die Geschworenen beobachtet. Die Abweisungsbriefe haben ihre Aufmerksamkeit erregt. Der Blöde-Brief hat sie in Wut gebracht.
Sorgen Sie dafür, daß sie wütend bleiben, sagt er. Sorgen Sie dafür, daß sie empört bleiben. Geldstrafen werden nur verhängt, wenn eine Jury zornig ist.
Dr. Walter Kord macht eine sehr gute Figur, als er den Zeugenstand betritt. Er trägt ein kariertes Sportjackett, eine dunkle Hose und eine rote Krawatte, ganz der erfolgreiche junge Arzt. Er ist in Memphis aufgewachsen, hat hier die Grundschule besucht, dann das Vanderbilt College. Medizinstudium an der Duke University. Hervorragende Zeugnisse. Ich gehe mit ihm seine Laufbahn durch und habe keinerlei Schwierigkeiten, ihn als Experten für Onkologie zu qualifizieren. Ich gebe ihm Donny Rays medizinische Unterlagen, und er liefert den Geschworenen eine Zusammenfassung seiner Behandlung. Kord benutzt, wann immer es möglich ist, auch für Laien verständliche Worte und erklärt die medizinischen Fachausdrücke. Er ist Arzt, darauf trainiert, Gerichtssäle zu hassen, aber er ist die Ruhe selbst, auch den Geschworenen gegenüber.
»Können Sie den Geschworenen die Krankheit erklären, Dr. Kord?« frage ich.
»Natürlich. Akute myelozytische Leukämie, kurz AML, ist eine Krankheit, die zwei Altersgruppen befällt, einmal junge Erwachsene zwischen zwanzig und dreißig und zum anderen ältere Menschen, gewöhnlich im Alter von ungefähr siebzig Jahren. Weiße bekommen AML häufiger als Nicht-Weiße, und aus unbekannten Gründen befällt sie Personen jüdischer Herkunft öfter als andere. Männer bekommen sie häufiger als Frauen. In den meisten Fällen ist die Ursache der Krankheit unbekannt.
Der Körper bildet sein Blut im Knochenmark, und dort greift die AML an. Die weißen Blutkörperchen, die für die Bekämpfung von Infektionen zuständig sind, werden bei einer akuten Leukämie bösartig, und ihre Zahl wächst oft auf das Hundertfache des Normalen an. Wenn das passiert, werden die roten Blutkörperchen zurückgedrängt, was bewirkt, daß der Patient blaß und schwach ist und unter Blutarmut leidet. Wenn sich die weißen Blutkörperchen ungehindert vermehren, unterdrücken sie auch die normale Produktion der Blutplättchen, des dritten Zelltyps, der sich im Knochenmark findet. Das führt zu leichter Verletzbarkeit, Blutungen und Kopfschmerzen. Als Donny Ray zum ersten Mal in meine Praxis kam,
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