Der Regenmacher
Augen, bleibt aber gefaßt. Ich habe Dot gesagt, sie solle Tränen möglichst vermeiden. Jeder kann sich ihren Kummer vorstellen.
Sie beschreibt, wie frustrierend es ist, als Mutter nicht erreichen zu können, daß der todkranke Sohn behandelt wird. Sie hat Great Benefit viele Male geschrieben und angerufen. Sie hat sich schriftlich und telefonisch an Kongreßabgeordnete, Senatoren und Bürgermeister gewandt, immer in der vergeblichen Hoffnung, Hilfe zu finden. Sie hat Krankenhäuser angefleht, ihn umsonst zu behandeln. Sie hat Freunde und Nachbarn zusammengetrommelt, und sie haben gemeinsam versucht, das Geld aufzubringen, sind aber elend gescheitert. Sie identifiziert die Police und das Antragsformular. Sie beantwortet meine Fragen über ihren Kauf, die allwöchentlichen Besuche von Bobby Ott, um die Prämie zu kassieren.
Dann kommen wir zum wirklich guten Stoff. Ich reiche ihr die ersten sieben Abweisungsbriefe hin, und Dot liest sie den Geschworenen vor. Sie hören sich schlimmer an, als ich gehofft hatte. Glatte Abweisung aus keinem ersichtlichen Grund. Abweisung von der Schadensabteilung, vorbehaltlich der Überprüfung durch die Haftungsabteilung. Abweisung von der Haftungsabteilung, vorbehaltlich der Überprüfung durch die Schadensabteilung. Abweisung von der Schadensabteilung, basierend auf der Tatsache einer Vorerkrankung. Abweisung von der Haftungsabteilung, basierend auf der Behauptung, daß Donny Ray nicht zum Haushalt gehörte, da er volljährig war. Abweisung von der Schadensabteilung, basierend auf der Behauptung, daß Knochenmarkstransplantationen von der Police nicht abgedeckt sind. Abweisung von der Schadensabteilung, basierend auf der Behauptung, Knochenmarkstransplantationen seien zu experimentell und deshalb keine akzeptable Behandlungsmethode.
Die Geschworenen lassen sich kein Wort entgehen. Diese Sache stinkt zum Himmel.
Und dann der Blöde-Brief. Während Dot ihn den Geschworenen vorliest, beobachte ich ihre Gesichter genau. Etliche sind sichtlich fassungslos. Andere blinzeln ungläubig. Wieder andere richten den Blick auf den Tisch der Verteidigung, an dem seltsamerweise alle Mitglieder des Teams die Köpfe gesenkt haben und in tiefe Meditation versunken sind.
Als sie geendet hat, herrscht Stille im Gerichtssaal.
»Bitte, lesen Sie den Brief noch einmal vor«, sage ich.
»Einspruch«, sagt Drummond, der schnell aufgesprungen ist.
»Abgelehnt«, faucht Kipler.
Dot liest ihn noch einmal vor, diesmal mit mehr Entschlossenheit. Das ist genau der Punkt, zu dem ich Dot bringen wollte, also entlasse ich die Zeugin. Drummond begibt sich aufs Podium. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn er sie grob anfassen würde, und es würde mich überraschen, wenn er es täte.
Er beginnt mit ein paar vagen Fragen über frühere Policen, die sie besessen hat, und weshalb sie gerade diese spezielle Police gekauft hat. Was hatte sie im Sinn, als sie sie kaufte? Dot wollte lediglich Versicherungsschutz für ihre Familie, das war alles. Und das war es, was ihr der Agent zugesagt hatte. Hatte der Agent ihr auch zugesagt, daß die Police Knochenmarkstransplantationen einschließen würde?
»Ich habe nicht an Transplantationen gedacht«, sagt sie. »Ich habe nie eine gebraucht.« Das bringt ein paar Geschworene zum Lächeln, aber niemand lacht.
Drummond dringt in sie, will wissen, ob sie vorgehabt hat, eine Police zu kaufen, die Knochenmarkstransplantationen abdeckt. Sie hatte noch nie davon gehört, erklärt sie ihm immer wieder.
»Also haben Sie nicht ausdrücklich eine Police verlangt, die sie abdecken würde?« fragt er.
»An solche Dinge habe ich überhaupt nicht gedacht, als ich die Police kaufte. Ich wollte lediglich vollen Versicherungsschutz.«
Damit erzielt Drummond einen schwachen Punkt, aber ich glaube und hoffe, daß die Geschworenen es rasch wieder vergessen werden.
»Weshalb haben Sie Great Beneft auf zehn Millionen Dollar verklagt?« fragt er. Diese Frage kann zu Beginn eines Prozeßes verheerende Auswirkungen haben, weil sie die Kläger habgierig erscheinen läßt. Die in einer Klage beantragten Summen sind oft nichts als Zahlen, vom Anwalt aus der Luft gegriffen, ohne Mitwirkung der Mandanten. Ich jedenfalls habe Dot nicht gefragt, auf wieviel sie klagen will.
Aber ich habe gewußt, daß die Frage kommen würde, weil ich die Protokolle von Drummonds früheren Prozessen gelesen habe. Dot ist vorbereitet.
»Zehn Millionen?« fragt sie.
»So ist es, Mrs. Black. Sie haben meine Mandanten
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