Der Regenmacher
Drittel unseres Jahrgangs vorzeitig eliminiert werden. Und das haben sie dann auch getan.
Ich kann mindestens zehn Leute benennen, die nächsten Monat zusammen mit mir ihren Abschluß machen und danach massenhaft Zeit haben werden, für das Anwaltsexamen zu lernen, weil sie immer noch keinen Job gefunden haben. Sieben Jahre College und Studium und dann arbeitslos. Mir fallen auch mehrere Dutzend Mitstudenten ein, die als Gehilfen von Pflichtverteidigern und Staatsanwälten arbeiten werden oder als schlechtbezahlte Kanzlisten für ebenso schlechtbezahlte Richter, also in Jobs, von denen man uns nichts erzählt hat, als wir mit dem Studium anfingen.
Deshalb war ich in mancher Hinsicht ziemlich stolz auf meine Anstellung bei Broadnax and Speer, einer richtigen Kanzlei. Ja, manchmal habe ich sogar ein bißchen herabgesehen auf geringere Talente, von denen einige immer noch herumlaufen und um Vorstellungsgespräche betteln. Aber diese Arroganz ist plötzlich wie weggeblasen. Ich fahre mit einem Knoten im Bauch in Richtung Innenstadt. In einer Firma wie Trent & Brent ist für mich kein Platz. Der Toyota spuckt und stottert wie gewöhnlich, aber er fährt wenigstens.
Ich versuche, die Fusion zu analysieren. Vor zwei Jahren hat Trent & Brent eine Dreißig-Mann-Firma geschluckt, und das hat in der Stadt viel Aufsehen erregt. Aber ich kann mich nicht erinnern, ob dabei Leute entlassen wurden. Was liegt ihnen an einer Fünfzehn-Mann-Firma wie Broadnax and Speer? Mir wird plötzlich bewußt, wie wenig ich im Grunde über meinen künftigen Arbeitgeber weiß. Der alte Broadnax ist vor ein paar Jahren gestorben, und sein feistes Gesicht wurde in einer scheußlichen Bronzebüste verewigt, die neben der Eingangstür zu den Büros steht. Speer ist sein Schwiegersohn, aber seit langem von seiner Tochter geschieden. Ich habe Speer kurz kennengelernt, und er war recht freundlich. Beim zweiten oder dritten Gespräch hat man mir mitgeteilt, ihre wichtigsten Mandanten wären einige Versicherungsgesellschaften und ihre Arbeit bestünde zu achtzig Prozent aus der Verteidigung in Verkehrssachen.
Vielleicht hat Trent & Brent ein bißchen Power in seiner Verkehrsrechtsabteilung gebraucht. Wer weiß?
Auf der Poplar herrscht dichter Verkehr, aber der schiebt sich hauptsächlich in der entgegengesetzten Richtung voran. Ich kann bereits die hohen Gebäude der Innenstadt sehen. Loyd Beck und Carson Bell und die anderen Burschen in der Firma würden mich doch bestimmt nicht einstellen, Verpflichtungen eingehen und alle möglichen Pläne machen, nur um mir jetzt um des Geldes willen die Kehle durchzuschneiden. Es ist doch undenkbar, daß sie mit Trent & Brent fusionieren und dabei ihre eigenen Leute nicht schützen, oder?
Im letzten Jahr haben meine Studienkollegen, die nächsten Monat zusammen mit mir graduieren werden, diese Stadt auf der Suche nach Arbeit regelrecht durchkämmt. Ich halte es für ausgeschlossen, daß irgendwo noch eine andere Stelle frei ist. Nicht einmal das kleinste Bröckchen Job kann durch die Ritzen gerutscht sein.
Obwohl der Parkplatz leer und massenhaft Platz vorhanden ist, parke ich vorschriftswidrig auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem Gebäude, in dem Broadnax and Speer residiert. Zwei Blocks weiter steht ein Bankgebäude, das höchste in der Innenstadt, und natürlich hat Trent & Brent die obere Hälfte davon gemietet. Von ihrer hohen Warte aus können sie verächtlich auf den Rest der Stadt herabblicken. Ich hasse sie.
Ich sprinte über die Straße und betrete die schmutzige Halle des Powers Building. Links befinden sich zwei Fahrstühle, aber rechts sehe ich ein vertrautes Gesicht. Es ist Richard Spain, einer der bei Broadnax and Speer angestellten Anwälte, ein wirklich netter Mann, der mich bei meinem ersten Besuch hier zum Lunch ausgeführt hat. Er sitzt auf einer schmalen Marmorbank und starrt blicklos auf den Boden.
»Richard«, sage ich, auf ihn zugehend. »Ich bin’s, Rudy Baylor.«
Er rührt sich nicht, sondern starrt weiter auf den Boden. Ich setze mich neben ihn. Die Fahrstühle sind genau vor uns, zehn Meter entfernt.
»Was ist los, Richard?« Er wirkt benommen. »Richard, fehlt Ihnen etwas?« Die kleine Halle ist im Moment leer, und um uns herum ist es still.
Langsam dreht er mir den Kopf zu, und sein Mund geht ein wenig auf. »Sie haben mich entlassen«, sagt er leise. Seine Augen sind rot, und er hat entweder geweint oder getrunken.
Ich hole tief Luft. »Wer?« frage ich leise,
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