Der Regenmacher
obwohl ich die Antwort bereits kenne.
»Sie haben mich entlassen«, sagt er noch einmal.
»Richard, bitte reden Sie mit mir. Was geht hier vor? Wer ist entlassen worden?«
»Sie haben uns alle entlassen, alle angestellten Anwälte«, sagt er langsam. »Beck hat uns in den Konferenzraum beordert und uns mitgeteilt, daß die Partner beschlossen hätten, an Linley Britt zu verkaufen, und daß da für uns kein Platz wäre. Einfach so. Gab uns eine Stunde, unsere Schreibtische auszuräumen und das Gebäude zu verlassen.« Sein Kopf schwankt seltsam von einer Schulter zur anderen, während er das sagt, und jetzt starrt er auf die Fahrstuhltüren.
»Einfach so«, sage ich.
»Ich nehme an, Sie sorgen sich um Ihren Job«, sagt Richard, immer noch quer durch die Halle starrend.
»Das kann man wohl sagen.«
»Diesen Mistkerlen sind Sie völlig gleichgültig.«
Zu diesem Schluß bin ich natürlich längst selber gekommen. »Weshalb haben sie euch alle entlassen?« frage ich mit kaum hörbarer Stimme. Im Grunde ist es mir völlig gleichgültig, weshalb sie die angestellten Anwälte vor die Tür gesetzt haben. Aber ich versuche, meine Frage aufrichtig klingen zu lassen.
»Trent & Brent wollte unsere Mandanten«, sagt er. »Um die Mandanten zu bekommen, mußten sie die Partner kaufen. Wir, die angestellten Anwälte, waren dabei nur im Wege.«
»Das tut mir leid«, sage ich.
»Mir auch. Bei dem Treffen wurde auch Ihr Name erwähnt. Jemand fragte, was mit Ihnen wäre, da Sie der einzige Neuzugang sind. Beck sagte, er würde versuchen, Sie anzurufen und Ihnen die schlechte Nachricht beizubringen. Sie hat es gleichfalls erwischt, Rudy. Es tut mir leid.«
Mein Kopf sackt ein paar Zentimeter herunter, und ich starre auf den Boden. Meine Hände sind schweißnaß.
»Wissen Sie, wieviel ich im vorigen Jahr verdient habe?« fragt er.
»Wieviel?«
»Achtzigtausend. Ich habe sechs Jahre hier geschuftet, siebzig Stunden in der Woche, habe meine Familie vernachlässigt, Blut vergossen für die gute alte Firma Broadnax and Speer, und dann sagen mir diese Schweine, ich hätte eine Stunde, um meinen Schreibtisch auszuräumen und mein Büro zu verlassen. Sie hatten sogar einen Wachmann, der auf mich aufpassen sollte, während ich meine Sachen zusammenpackte. Achtzigtausend Dollar haben sie mir gezahlt, und ich habe zweitausendfünfhundert Stunden á hundertfünfzig in Rechnung gestellt, das macht also dreihundertfünfundsiebzig Tausender, die ich ihnen im vorigen Jahr eingebracht habe. Sie belohnen mich mit achtzig, schenken mir eine goldene Uhr, sagen mir, wie großartig ich bin, vielleicht machen sie mich in ein oder zwei Jahren zum Partner, Sie wissen schon, eine große, glückliche Familie. Und dann kommt Trent & Brent mit seinen Millionen, und ich bin arbeitslos. Und Sie sind auch arbeitslos, mein Junge. Ist Ihnen klar, daß Sie gerade Ihren ersten Job verloren haben, noch bevor Sie mit der Arbeit angefangen haben?«
Darauf fällt mir keine Erwiderung ein.
Er kippt sanft den Kopf auf die linke Schulter und ignoriert mich. »Achtzigtausend. Ein ganz hübsches Sümmchen, meinen Sie nicht, Rudy?«
»Ja.« Für mich hört sich das an wie ein kleines Vermögen.
»Unmöglich, einen anderen Job zu finden, der mir so viel einbringt. Jedenfalls nicht in dieser Stadt. Niemand stellt jemanden ein. Es gibt einfach zu viele Anwälte.«
Das kann man laut sagen.
Er wischt sich mit den Fingern über die Augen, dann steht er langsam auf. »Ich muß es meiner Frau sagen«, murmelt er, dann geht er mit hängenden Schultern durch die Halle, verläßt das Gebäude und verschwindet auf der Straße.
Ich fahre mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock und betrete ein kleines Foyer. Durch eine gläserne Doppeltür hindurch sehe ich einen großen, uniformierten Wachmann, der neben dem Empfangstresen steht. Als ich das Büro von Broadnax and Speer betrete, mustert er mich argwöhnisch.
»Kann ich Ihnen helfen?« knurrt er.
»Ich suche Loyd Beck«, sage ich und versuche, an ihm vorbei einen Blick in den Korridor zu werfen. Er bewegt sich ein wenig, um mir den Weg zu versperren.
»Und wer sind Sie?«
»Rudy Baylor.«
Er beugt sich vor und nimmt einen Umschlag vom Tresen. »Das ist für Sie«, sagt er. Er trägt meinen Namen, handschriftlich mit roter Tinte. Ich entnehme ihm ein kurzes Schreiben. Meine Hände zittern, während ich es lese.
Eine Stimme quakt in seinem Funkgerät, und er weicht langsam zurück. »Lesen Sie den Brief, und dann
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