Der Regenmacher
Firmenname unverändert bleibt, hat J. Townsend sein kleines Publikum informiert, daß Broadnax and Speer so winzig und unbedeutend ist, daß Tinley Britt es ohne den kleinsten Rülpser schlucken kann.
»Also ist es nach wie vor Trent & Brent?« sage ich zu J. Townsend, der bei diesem allzu gebräuchlichen Spitznamen empört schnaubt.
»Ich kann es einfach nicht glauben, daß sie dir nichts davon gesagt haben«, setzt F. Franklin der Vierte nach.
Ich zucke die Achseln, als wäre das alles völlig belanglos, und steuere auf die Tür zu. »Vielleicht machst du dir deswegen zu viele Gedanken, Frankie.« Sie sehen sich befriedigt an, als hätten sie erreicht, was immer sie erreichen wollten, und ich verlasse den Aufenthaltsraum. Ich betrete die Bibliothek, und der junge Mann, der hinter dem Tresen am Eingang sitzt, winkt mich heran.
»Hier ist eine Nachricht«, sagt er und händigt mir einen Zettel aus. Ich soll Loyd Beck anrufen, den geschäftsführenden Partner bei Broadnax and Speer, den Mann, der mich eingestellt hat.
Die Münztelefone sind im Aufenthaltsraum, aber ich bin nicht in der Stimmung, F. Franklin den Vierten und seine Bande von Halsabschneidern wiederzusehen. »Darf ich Euer Telefon benutzen?« frage ich den jungen Mann, einen Studenten im zweiten Jahr, der so tut, als gehörte die Bibliothek ihm.
»Die Telefone sind im Aufenthaltsraum«, sagt er und deutet in die entsprechende Richtung, als hätte ich hier drei Jahre Jura studiert und wüßte immer noch nicht, wo der Aufenthaltsraum ist.
»Ich komme gerade von dort. Sie sind alle besetzt.«
Er runzelt die Stirn und schaut sich um. »Okay, aber mach’s kurz.«
Ich tippe die Nummer von Broadnax and Speer ein. Es ist fast sechs Uhr, und die Sekretärinnen machen um fünf Feierabend. Nach dem neunten Läuten sagt eine Männerstimme einfach »Hallo?«
Ich drehe der Eingangshalle der Bibliothek den Rücken zu und versuche, mich in den Regalen mit den Handapparaten zu verstecken. »Hallo, hier ist Rudy Baylor. Ich bin in der Universität und habe eben eine Nachricht erhalten, daß ich Loyd Beck anrufen soll. Es sei dringend.« Auf dem Zettel steht nichts davon, daß es dringend wäre, aber in diesem Moment bin ich ziemlich nervös.
»Rudy Baylor? Um was geht es?«
»Ich bin der Student, den Sie gerade eingestellt haben. Mit wem spreche ich?«
»Ach ja, Baylor. Ich bin Carson Bell. Äh, Loyd ist in einer Sitzung und kann im Augenblick nicht gestört werden. Versuchen Sie es in einer Stunde noch einmal.«
Ich bin Carson Bell kurz begegnet, als ich im Büro herumgeführt wurde, und ich erinnere mich an ihn als an einen typischen überarbeiteten Prozeßanwalt, eine Sekunde lang freundlich und dann zurück an die Arbeit. »Äh, Mr. Bell, ich glaube, ich muß unbedingt mit Mr. Beck sprechen.«
»Tut mir leid, aber im Moment geht das nicht. Okay?«
»Ich habe Gerüchte über eine Fusion mit Trent – äh – mit Tinley Britt gehört. Stimmt das?«
»Hören Sie, Rudy, ich habe zu tun und kann jetzt nicht darüber sprechen. Rufen Sie in einer Stunde wieder an, dann wird Loyd sich mit Ihnen befassen.«
Sich mit mir befassen? »Bin ich immer noch bei Ihnen angestellt?«
»Rufen Sie in einer Stunde wieder an«, sagt er gereizt, dann knallt er den Hörer auf die Gabel.
Ich schreibe ein paar Zeilen auf ein Stück Papier und gebe es dem jungen Mann. »Kennst du Booker Kane?« frage ich.
»Ja.«
»Gut. Er wird in ein paar Minuten hiersein. Gib ihm diese Nachricht. Sag ihm, daß ich in ungefähr einer Stunde zurück sein werde.«
Er grunzt, aber er nimmt den Zettel. Ich verlasse die Bibliothek, drücke mich am Aufenthaltsraum vorbei und bete, daß niemand mich sieht. Dann verlasse ich das Gebäude und laufe zum Parkplatz, wo mein Toyota auf mich wartet. Ich hoffe, daß der Motor anspringt. Eines meiner dunkelsten Geheimnisse ist, daß ich einer Finanzierungsgesellschaft für dieses erbärmliche Wrack immer noch fast dreihundert Dollar schulde. Ich habe sogar Booker angelogen. Er glaubt, er wäre bezahlt.
3
Es ist kein Geheimnis, daß es in Memphis zu viele Anwälte gibt. Das hat man uns bereits gesagt, als wir mit dem Jurastudium anfingen: daß der Beruf total überlaufen ist, nicht nur hier, sondern überall, daß einige von uns sich drei Jahre lang quälen, sich durchs Anwaltsexamen kämpfen und dann trotzdem keinen Job finden würden. Deshalb, teilte man uns freundlicherweise beim Orientierungskurs im ersten Semester mit, würde mindestens ein
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