Der Regenmacher
Quetschungen.
Ich beuge mich vor und küsse sie auf die Stirn, dann setze ich mich dicht vor ihr auf einen Schemel. Im rechten Auge ist bereits eine Träne. »Danke fürs Kommen«, murmelt sie. Wegen der verletzten Wangen und der aufgeplatzten Lippe kann sie kaum sprechen. Ich tätschele ihr sehr sanft das Knie. Sie streichelt meinen Handrücken.
Ich könnte ihn umbringen.
Robin, die neben ihr sitzt, sagt: »Sie sollte nicht sprechen, okay? Der Doktor hat gesagt, sowenig Bewegung wie möglich. Diesmal hat er seine Fäuste gebraucht. Er konnte den Baseballschläger nicht finden.«
»Wie ist es passiert?« frage ich Robin, sehe aber weiterhin Kelly an.
»Es war ein Kreditkartenstreit. Die Weihnachtsrechnungen mußten bezahlt werden. Er hatte eine Menge getrunken. Den Rest kennen Sie.« Der Bericht ist flüssig, und ich vermute, daß Robin selbst schon einiges erlebt hat. Sie trägt keinen Ehering. »Sie streiten. Er gewinnt, wie gewöhnlich. Nachbarn rufen die Polizei. Er geht ins Gefängnis, sie geht zu einem Arzt. Möchten Sie eine Cola oder sonst etwas?«
»Nein, danke.«
»Ich habe sie gestern abend hierhergebracht, und heute morgen war ich mit ihr in einer Beratungsstelle für mißhandelte Frauen in der Innenstadt. Sie hat mit einem der Berater dort gesprochen, der ihr gesagt hat, was sie tun muß. Er hat ihr einen Haufen Broschüren gegeben. Sie liegen da drüben, falls Sie sie brauchen. Im Grunde läuft es darauf hinaus, daß sie die Scheidung einreichen und dann sofort verschwinden soll.«
»Ist sie fotografiert worden?« frage ich, immer noch ihr Knie streichelnd. Sie nickt. Jetzt sind auch aus dem zugeschwollenen Auge Tränen hervorgequollen und rinnen ihr über die Wangen.
»Ja, sie haben eine Menge Aufnahmen gemacht. Da ist noch einiges, was Sie nicht sehen können. Zeig es ihm, Kelly. Er ist dein Anwalt. Er muß es sehen.«
Mit Robins Hilfe kommt sie langsam auf die Beine, dreht mir den Rücken zu und hebt das T-Shirt bis über die Taille an. Es ist nichts darunter, nichts außer massiven Quetschungen auf ihrem Hinterteil und der Rückseite ihrer Beine. Das T-Shirt rutscht höher und enthüllt noch mehr Quetschungen auf ihrem Rücken. Das T-Shirt fällt herunter, und sie läßt sich vorsichtig wieder auf das Sofa nieder.
»Er hat sie mit einem Gürtel geschlagen«, erklärt Robin. »Hat sie über sein Knie gezwungen und dann auf sie eingeschlagen.«
»Haben Sie ein Kleenex?« frage ich Robin.
»Natürlich.« Sie gibt mir einen großen Karton, und ich tupfe Kelly sehr behutsam die Wangen ab.
»Was willst du jetzt tun, Kelly?« frage ich.
»Machen Sie Witze?« sagt Robin. »Sie muß die Scheidung einreichen. Wenn sie es nicht tut, bringt er sie um.«
»Ist das wahr? Reichen wir die Scheidung ein?«
Kelly nickt und sagt: »Ja. So schnell wie möglich.«
»Ich tue es gleich morgen früh.«
Sie drückt meine Hand und schließt das rechte Auge.
»Womit wir zum zweiten Problem kommen«, sagt Robin. »Hier kann sie nicht bleiben. Cliff ist heute morgen aus dem Gefängnis entlassen worden, und er hat angefangen, ihre Freundinnen anzurufen. Ich bin heute nicht zur Arbeit gegangen, was ich nicht noch einmal tun kann, und er hat mich gegen Mittag angerufen. Ich habe ihm gesagt, ich wüßte von nichts. Eine Stunde später hat er wieder angerufen und mich bedroht. Die arme Kelly hat nicht besonders viele Freundinnen, und es wird nicht lange dauern, bis er sie gefunden hat. Außerdem habe ich eine Mitbewohnerin; es geht einfach nicht.«
»Ich kann hier nicht bleiben«, sagt Kelly leise und mühsam.
»Also, wo willst du hin?« frage ich.
Robin hat bereits darüber nachgedacht. »Nun, der Berater, mit dem wir heute morgen gesprochen haben, hat uns von einem Heim für mißhandelte Frauen erzählt, einer Art geheimem Zufluchtsort, der weder beim County noch beim Staat offiziell registriert ist. Es ist ein Haus hier in der Stadt, dessen Adresse nur von einem zum anderen weitergegeben wird. Die Frauen sind dort sicher, weil ihre geliebten Ehemänner sie nicht finden können. Das Problem ist, es kostet hundert Dollar pro Tag, und sie kann nur eine Woche bleiben. Ich verdiene keine hundert Dollar pro Tag.«
»Möchtest du dorthin?« frage ich Kelly. Sie nickt unter Schmerzen.
»Gut. Ich bringe dich morgen hin.«
Robin seufzt erleichtert auf. Sie verschwindet in der Küche, um eine Karte mit der Adresse des Heims zu holen.
»Laß mich deine Zähne sehen«, sage ich zu Kelly.
Sie macht den Mund auf,
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