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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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auf meinem durchgesessenen Sofa und starrte auf den Schmuck, der vor mir auf dem Fußboden lag. Während ich an großen Stücken Brie nagte und den Schampus trank, wanderte mein Blick von den Weihnachtsgeschenken zum Foto meiner Geliebten, und ich weinte.
    Irgendwann zwischen Weihnachten und Neujahr riß ich mich zusammen und nahm mir vor, die teuren Geschenke an die Geschäfte zurückzugeben, in denen ich sie erstanden hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, sie von einer Brücke aus ins Wasser zu werfen oder eine andere ähnlich dramatische Tat zu begehen. Aber in Anbetracht meiner damaligen seelischen Verfassung hielt ich es für besser, mich von Brücken fernzuhalten.
    Es war der Tag nach Neujahr. Ich kehrte nach einem langen Spaziergang in meine Wohnung zurück und stellte fest, daß Einbrecher dagewesen waren. Die Tür war aufgebrochen worden. Die Diebe hatten meinen alten Fernseher und die Stereoanlage mitgehen lassen, ein Glas mit Vierteldollarstücken, das auf meiner Kommode stand, und natürlich den Schmuck, den ich für Sara gekauft hatte.
    Ich rief die Polizei an und füllte die Formulare aus. Ich zeigte ihr die Kreditkartenquittungen. Der Sergeant schüttelte nur den Kopf und riet mir, mich an meine Versicherung zu wenden.
    Ich habe mehr als dreitausend Dollar Plastikgeld ausgegeben. Es ist an der Zeit, die Sache zu bereinigen.
    Die Zwangsräumung ist für morgen vorgesehen. Das Konkursrecht enthält eine wundervolle Klausel, die bei sämtlichen juristischen Verfahren gegen einen Schuldner einen automatischen Aufschub gewährt. Das ist der Grund, weshalb große, reiche Firmen, eingeschlossen meine Freunde von der Texaco, sofort zum Konkursgericht rennen, wenn sie vorübergehend Schutz benötigen. Mein Hauswirt darf mich morgen nicht anrühren; er darf mich nicht einmal anrufen und beschimpfen. Ich trete aus dem Fahrstuhl und hole tief Luft. Auf den Fluren wimmelt es von Anwälten. Es gibt drei Richter, die ausschließlich für Konkursverfahren zuständig sind, und ihre Gerichtssäle befinden sich in diesem Stockwerk. Sie setzen täglich Dutzende von Anhörungen an, und bei jeder Anhörung ist eine Gruppe von Anwälten zugegen; einer für den Schuldner und mehrere für die Gläubiger. Es ist der reinste Zoo. Im Vorbeigehen höre ich Dutzende von wichtigen Konferenzen, Anwälte, die über unbezahlte Arztrechnungen streiten und darüber, wieviel der Kleinlaster wert ist. Ich betrete das Büro des Kanzleivorstehers und warte zehn Minuten, während die Anwälte vor mir sich beim Einreichen ihrer Anträge Zeit lassen. Sie kennen die Amtssekretärinnen gut, und es gibt eine Menge Geflirte und haufenweise dumme Sprüche. Jetzt wäre ich gern auch so ein wichtiger Konkursanwalt und könnte mich von den Mädchen hier Fred oder Sonny nennen lassen.
    Im vorigen Jahr hat uns ein Professor gesagt, in Anbetracht der unsicheren Zeiten, der wachsenden Arbeitslosigkeit und des Stellenabbaus bei den großen Firmen sei Konkursrecht die Wachsrumsindustrie der Zukunft. Und das von einem Mann, der nie in einer privaten Kanzlei eine Stunde in Rechnung gestellt hat.
    Aber heute sieht es tatsächlich lukrativ aus. Links und rechts von mir werden Konkursanträge eingereicht. Jedermann geht pleite.
    Ich händige meinen Papierkram einer überlasteten Sekretärin aus, einer hübschen Person mit dem Mund voll Kaugummi. Sie wirft einen Blick darauf, dann mustert sie mich eingehend. Ich trage ein Jeanshemd und eine Khakihose.
    »Sind Sie Anwalt?« fragt sie ziemlich laut, und ich sehe, wie Leute sich zu mir umdrehen.
    »Nein.«
    »Sie sind der Schuldner?« fragt sie noch lauter und kaut schmatzend.
    »Ja«, erwidere ich schnell. Ein Schuldner, der nicht Anwalt ist, kann seinen Antrag selbst einreichen, aber dafür wird nirgendwo Reklame gemacht.
    Sie nickt beifällig und stempelt den Antrag ab. »Die Gebühr beträgt achtzig Dollar.«
    Ich gebe ihr vier Zwanziger. Sie nimmt das Geld und betrachtet es argwöhnisch. In meinem Antrag ist kein Konto aufgeführt, weil ich es gestern gelöscht und damit einen Aktivposten im Werte von 11,84 Dollar aus der Welt geschafft habe.
    Meine anderen aufgeführten Aktiva sind: ein stark abgenutzter Toyota – 500 Dollar; verschiedene Möbel und Einrichtungsgegenstände – 150 Dollar. CD-Sammlung – 200 Dollar; juristische Bücher – 125 Dollar; Kleidung – 150 Dollar. All diese Dinge gelten als persönliche Habe und können deshalb nicht in das Verfahren einbezogen werden, das ich gerade in Gang

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