Der Regenmacher
weiß, daß ich ziemlich spät dran bin, aber dafür gibt es einen guten Grund.« Und dann erzähle ich ihm die Geschichte von meinem Job bei Broadnax and Speer. Als ich zu der Sache mit Tinley Britt komme, mache ich mir seinen vermutlichen Abscheu vor großen Firmen zunutze. Es ist eine natürliche Rivalität, die kleinen Leute wie mein Freund Rod hier, die Feld-Wald-und-Wiesen-Anwälte, gegen die seidenbestrumpften Überflieger in den Hochhäusern der Innenstadt. Ich schwindele ein bißchen, als ich behaupte, daß Tinley Britt mit mir über einen Job reden wollte, dann unterstreiche ich den auf der Hand liegenden Punkt, daß ich einfach außerstande bin, für eine große Firma zu arbeiten. Liegt mir nicht. Dafür liebe ich meine Unabhängigkeit zu sehr. Ich will Leute vertreten, nicht große Gesellschaften.
Das nimmt kaum fünf Minuten in Anspruch.
Er ist ein guter Zuhörer, ein bißchen nervös angesichts der im Hintergrund läutenden Telefone. Er weiß, daß er mich nicht einstellen wird, also hört er einfach zu und wartet, bis meine zehn Minuten um sind. »Was für ein mieser Trick«, sagt er mitfühlend, als ich mit meiner Geschichte fertig bin.
»Vielleicht ist es gut, daß es so gekommen ist«, sage ich wie ein Opferlamm. »Aber ich bin bereit, mich in die Arbeit zu stürzen. Ich werde im oberen Drittel meines Jahrgangs abschließen. Ich interessiere mich für Immobilienangelegenheiten, und ich habe zwei Seminare über Grundbesitz absolviert. Beide mit guten Noten.«
»Wir haben viel mit Grundstücksangelegenheiten zu tun«, sagt er selbstgefällig, als wäre es die einträglichste Arbeit auf der Welt. »Und mit Prozessen«, sagt er noch selbstgefälliger. In Wirklichkeit sitzt er natürlich fast ausschließlich in seinem Büro, ein Papiertiger. Dabei macht er seine Sache wahrscheinlich recht gut und verdient genug, um sich ein angenehmes Leben leisten zu können. Aber er will, daß ich ihn außerdem für einen tollen Hecht im Gerichtssaal halte, mit allen Wassern gewaschen. Er sagt das, weil es einfach das ist, was Anwälte immer tun, es ist Teil der Routine. Ich kenne noch nicht viele Anwälte, aber einer, der mir nicht einreden wollte, daß er seine Gegner im Gerichtssaal jederzeit zu Kleinholz verarbeiten kann, muß mir erst noch begegnen.
Meine Zeit läuft ab. »Ich habe mir mein Studium selbst erarbeitet. Die ganzen sieben Jahre. Kein Pfennig von zu Hause.«
»Was für Arbeit?«
»Alles mögliche. Im Augenblick arbeite ich bei Yogi’s, bediene an den Tischen, stehe an der Bar.«
»Sie sind Barmann?«
»Ja, Sir. Unter anderem.«
Er hat mein Resümee in die Hand genommen. »Sie sind ledig«, sagt er langsam. Das steht da, schwarz auf weiß.
»Ja, Sir.«
»Irgendeine ernsthafte Romanze?«
Das geht ihn wirklich nichts an, aber mir bleibt keine andere Wahl. »Nein, Sir.«
»Sie sind doch nicht schwul, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, und es folgt ein kurzer Augenblick gemeinsamer, heterosexueller Belustigung. Zwei normale weiße Männer.
Er lehnt sich zurück, und sein Gesicht ist plötzlich ernst, als wendete er sich jetzt äußerst wichtigen Geschäften zu. »Wir haben seit mehreren Jahren keinen neuen Anwalt mehr eingestellt. Nur aus Neugierde – was zahlen die großen Firmen in der Innenstadt ihren Anfängern heutzutage?«
Seine Frage hat einen Grund. Ganz gleich, was ich antworte, er wird sich schockiert und fassungslos geben über derart exorbitante Gehälter in den Hochhäusern. Und damit schafft er die Basis für jedes weitere Gespräch über Geld.
Lügen hat keinen Zweck. Er ist vermutlich ziemlich gut über die Gehaltsskala informiert. Anwälte lieben Klatsch.
»Wie Sie wissen, hält sich Tinley Britt viel darauf zugute, daß sie die höchsten Gehälter zahlen. Ich habe gehört, es wären bis zu fünfzigtausend.«
Sein Kopf gerät in Bewegung, noch bevor ich ausgeredet habe. »Kaum zu glauben«, sagt er fassungslos. »Kaum zu glauben.«
»Ich wäre nicht so teuer«, verkünde ich rasch. Ich habe beschlossen, mich billig an jeden zu verkaufen, der bereit ist, mir ein Angebot zu machen. Meine Unkosten sind niedrig, und wenn ich erst einmal einen Fuß in der Tür habe, werde ich ein paar Jahre hart arbeiten, und dann läuft mir vielleicht etwas anderes über den Weg.
»An wieviel hatten Sie gedacht?« fragte er, als könnte seine tüchtige kleine Kanzlei mit den großen Firmen mithalten.
»Ich würde für die Hälfte arbeiten. Fünfundzwanzigtausend. Achtzig Stunden die
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