Der Regenmacher
gesetzt habe. Ich werde sie alle behalten können, aber ich muß den Toyota auch weiterhin abbezahlen.
»Bargeld, wie?« sagt sie, dann füllt sie eine Quittung aus.
»Ich habe kein Bankkonto«, brülle ich sie fast an, zum Nutz und Frommen derjenigen, die zugehört haben und vielleicht auch den Rest der Geschichte erfahren möchten.
Sie funkelt mich an, ich funkele sie an. Sie macht sich wieder an die Arbeit, und eine Minute später schiebt sie mir eine Kopie meines Antrags zusammen mit meiner Quittung zu. Ich lese das Datum, die Uhrzeit und den Gerichtssaal, in dem meine erste Anhörung stattfinden soll.
Ich schaffe es fast bis zur Tür, bevor ich angehalten werde. Ein untersetzter Mann mit schweißigem Gesicht und schwarzem Bart berührt leicht meinen Arm. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagt er. Ich bleibe stehen und sehe ihn an. Er drückt mir eine Geschäftskarte in die Hand. »Robbie Molk, Anwalt. Konnte es nicht vermeiden zu hören, was Sie da eben gesagt haben. Dachte, Sie könnten vielleicht Hilfe brauchen in Ihrer Sache.«
Ich betrachte die Karte und dann sein pockennarbiges Gesicht. Von Molk habe ich schon gehört. Ich habe seine Anzeigen in den Zeitungen gesehen. Er offeriert Abschnitt-7-Verfahren für hundertfünfzig Dollar, und hier ist er, treibt sich im Büro des Kanzleivorstehers herum wie ein Geier, der nur darauf wartet, sich auf irgendeinen bankrotten Blödmann zu stürzen, dem er vielleicht noch hundertfünfzig Dollar abknöpfen kann.
Ich nehme höflich seine Karte entgegen. »Nein, danke«, sage ich und versuche, nett zu sein, »damit werde ich allein fertig.«
»Da kann man schnell alles vermasseln«, sagt er rasch, und ich bin sicher, er hat diesen Satz schon Tausende von Malen angebracht. »Ein Siebener kann riskant sein. Ich bearbeite jedes Jahr Tausende davon. Zweihundert auf die Hand, und ich nehme den Ball und laufe. Habe ein richtiges Büro und Personal.«
Jetzt sind es also schon zweihundert Dollar. Ich nehme an, wenn man ihm persönlich begegnet, schlägt er schnell noch fünfzig auf. Es wäre jetzt sehr einfach, ihm das vorzuhalten, aber irgend etwas sagt mir, daß Molk nicht der Typ ist, den man demütigen kann.
»Nein, danke«, sage ich und schiebe mich an ihm vorbei.
Die Fahrt nach unten ist langsam und unerfreulich. Der Fahrstuhl ist vollgestopft mit Anwälten, alle schlecht gekleidet, mit ramponierten Aktenkoffern und abgeschabten Schuhen. Sie schnattern immer noch über Freistellungen und darüber, was ungesichert ist und was nicht. Fürchterliches Anwaltsgeschwätz. Ungeheuer wichtige Diskussionen. Sie scheinen sie nicht abstellen zu können.
Kurz bevor wir im Erdgeschoß anhalten, überfällt es mich. Ich habe keine Ahnung, was ich nächstes Jahr um diese Zeit tun werde, und es ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, daß ich dann auch in diesem Fahrstuhl stekken und mit genau diesen Leuten dieselben banalen Debatten führen werde. Höchstwahrscheinlich werde ich dann genau so sein wie sie, mich auf den Straßen herumtreiben, versuchen, aus Leuten, die nicht bezahlen können, ein paar Dollar herauszuquetschen, in Gerichtssälen herumlungern und nach Arbeit Ausschau halten.
Dieser grauenhafte Gedanke macht mich schwindlig. Der Fahrstuhl ist heiß und stickig. Mir ist, als müßte ich mich übergeben. Er hält an, und sie stürmen hinaus in die Halle und zerstreuen sich, nach wie vor redend und gestikulierend.
Die frische Luft läßt meinen Kopf wieder klar werden. Ich schlendere die Mid-America Mall entlang, eine Fußgängerzone mit einer Art Straßenbahn zur Beförderung der Säufer. Sie hieß früher Main Street und ist noch heute der Sitz zahlloser Anwälte. Die Gerichtsgebäude sind nur wenige Schritte entfernt. Ich passiere die Hochhäuser der Innenstadt und frage mich, was da oben in den vielen Kanzleien vor sich geht: Angestellte Anwälte hetzen herum und arbeiten achtzehn Stunden am Tag, weil der Kollege zwanzig arbeitet; Juniorpartner konferieren miteinander über Firmenstrategie; Seniorpartner sitzen in ihren kostbar eingerichteten Eckbüros und erteilen Teams von jüngeren Anwälten ihre Anweisungen.
Das ist genau das, was ich wollte, als ich mit dem Jurastudium begann. Ich wollte den Druck und die Macht, die vom Arbeiten mit intelligenten, hochmotivierten Leuten ausgeht, die alle unter Streß, Anspannung und Termindruck stehen. Die Kanzlei, in der ich vorigen Sommer gearbeitet habe, war klein, nur zwölf Anwälte, verfügte aber über
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