Der Regenmacher
ist. Es ist noch nicht sieben Uhr. Ich warte in meinem Wagen, bis ein anderer auf den Parkplatz fährt, und richte es so ein, daß ich mit einem Mann in mittleren Jahren an der Eingangstür zusammentreffe. Er hat einen Aktenkoffer und balanciert einen hohen Pappbecher mit Kaffee, während er nach seinem Schlüssel sucht.
Bei meinem Anblick wirkt er erschrocken. Dies ist keine sehr unsichere Gegend, aber trotzdem das Stadtgebiet von Memphis, und die Leute sind nervös.
»Guten Morgen«, sage ich freundlich.
»Morgen«, grunzt er. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ja, Sir. Ich bin Barry Lancasters neuer Anwaltsgehilfe und möchte mich an die Arbeit machen.«
»Name?«
»Rudy Baylor.«
Seine Hände erstarren für einen Moment, und er runzelt die Stirn. Seine Unterlippe verzieht sich und schiebt sich vor, dann schüttelt er den Kopf. »Sagt mir nichts. Ich bin der kaufmännische Direktor. Niemand hat mir etwas von Ihnen gesagt.«
»Er hat mich vor vier Tagen eingestellt, ich schwöre es.«
Er schiebt den Schlüssel ins Schloß und wirft dabei einen ängstlichen Blick über die Schulter. Der Kerl denkt, ich wäre ein Dieb oder ein Killer. Dabei trage ich Anzug und Krawatte und sehe recht anständig aus.
»Tut mir leid. Aber Mr. Lake hat strenge Sicherheitsvorschriften erlassen. Vor Arbeitsbeginn kommt hier niemand herein, der nicht auf der Gehaltsliste steht.« Er springt fast durch die Tür. »Sagen Sie Barry, er soll mich heute vormittag anrufen«, sagt er, dann schlägt er mir die Tür vor der Nase zu.
Ich denke nicht daran, wie ein Hausierer vor dem Eingang herumzulungern und auf die nächste auf der Gehaltsliste stehende Person zu warten. Ich fahre ein paar Blocks zu einem Imbiß, wo ich eine Zeitung, Brötchen und Kaffee kaufe. Ich schlage eine Stunde tot, atme Zigarettenrauch ein und höre mir den Klatsch an, dann kehre ich auf den Parkplatz zurück, auf dem jetzt noch mehr Wagen stehen. Hübsche Wagen. Elegante deutsche Wagen und andere funkelnde Importe. Ich entscheide mich für einen Platz neben einem Chevrolet.
Die Empfangsdame hat mich mehrere Male kommen und gehen gesehen, tut aber so, als wäre ich ein völlig Fremder. Ich denke nicht daran, ihr mitzuteilen, daß ich hier angestellt bin, genau wie sie. Sie ruft Barry an, der grünes Licht gibt für mein Eindringen in das Labyrinth.
Er muß um neun im Gericht sein, Anträge in einem Produkthaftungsprozeß, deshalb ist er in Eile. Ich bin entschlossen, mit ihm über das Eintragen meines Namens in die Gehaltsliste zu reden, aber der Zeitpunkt ist ungünstig. Das hat noch ein oder zwei Tage Zeit. Er stopft Akten in einen großen Aktenkoffer, und einen Moment fasziniert mich der Gedanke, ihm heute morgen bei Gericht assistieren zu dürfen.
Er hat andere Pläne. »Ich möchte, daß Sie zu den Blacks fahren und mit einem unterschriebenen Vertrag zurückkommen. Das muß gleich geschehen.« Er betont das Wort »gleich«, also weiß ich genau, was ich zu tun habe.
Er gibt mir eine dünne Akte. »Hier ist der Vertrag. Ich habe ihn gestern abend vorbereitet. Sehen Sie ihn sich an. Er muß von allen drei Blacks unterschrieben werden – Dot, Buddy und Donny Ray, weil er volljährig ist.«
Ich nicke zuversichtlich, aber ich würde mich lieber schlagen lassen, als den Vormittag mit den Blacks zu verbringen. Ich werde Donny Ray kennenlernen, eine Begegnung, von der ich geglaubt habe, ich könnte sie bis in alle Ewigkeit aufschieben. »Und danach?« frage ich.
»Ich bin den ganzen Tag bei Gericht. Sie finden mich in Richter Andersens Gerichtssaal.« Sein Telefon läutet, und er winkt mich hinaus, als wäre meine Zeit abgelaufen.
Der Gedanke, daß ich alle Blacks um den Küchentisch versammeln und unterschreiben lassen muß, ist nicht erfreulich. Ich werde gezwungen sein, dazusitzen und zuzusehen, wie Dot durch den Hintergarten zu dem alten Fairlane hinausgeht, bei jedem Schritt schimpfend, um auf Buddy einzureden und ihn von seinen Katzen und seinem Gin wegzuholen. Wahrscheinlich wird sie ihn beim Ohr aus seinem Wagen zerren. Das könnte unerfreulich werden. Und ich werde nervös dasitzen, wenn sie im Hintergrund des Hauses verschwindet, um Donny Ray vorzubereiten, und dann den Atem anhalten, wenn er hereinkommt, um mich, seinen Anwalt, kennenzulernen.
Um soviel wie möglich von alledem zu vermeiden, halte ich bei einer Telefonzelle neben einer Gulf-Tankstelle und rufe Dot an. Es ist wirklich eine Schande. Die Kanzlei Lake verfügt über die allerneuesten
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