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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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anfühlt.« Sie schaut zur Wand, und als sie mich wieder ansieht, fließen abermals die Tränen. »Sie wissen nicht, wovon Sie reden.«
    »Dann sagen Sie es mir.«
    »Wenn ich darüber hätte sprechen wollen, hätte ich schon selber damit angefangen. Sie haben kein Recht, in meinem Leben herumzuwühlen.«
    »Reichen Sie die Scheidung ein. Ich bringe morgen die erforderlichen Papiere mit. Tun Sie es jetzt, während Sie im Krankenhaus sind und wegen der letzten Attacke behandelt werden. Gibt es einen besseren Beweis? Die Klage wird glatt durchkommen, und in drei Monaten sind Sie eine freie Frau.«
    Sie schüttelt den Kopf, als wäre ich ein ausgemachter Idiot. Vermutlich bin ich das auch.
    »Sie verstehen das nicht.«
    »Da haben Sie vollkommen recht. Aber ich weiß, wie so was weitergeht. Wenn Sie sich diesen Mistkerl nicht vom Hals schaffen, sind Sie in einem Monat vielleicht tot. Ich habe die Namen und Telefonnummern von drei Hilfsorganisationen für mißhandelte Frauen.«
    »Mißhandelt?«
    »Richtig. Mißhandelt. Sie sind mißhandelt worden, Kelly, ist Ihnen das nicht klar? Dieser Nagel in Ihrem Knöchel bedeutet, daß Sie mißhandelt worden sind. Dieser veilchenblaue Fleck an Ihrem Kinn ist ein klarer Beweis dafür, daß Ihr Mann Sie schlägt. Sie können Hilfe bekommen. Reichen Sie die Scheidung ein, und lassen Sie sich helfen.«
    Sie denkt eine Sekunde darüber nach. Es ist ganz still im Zimmer. »Scheidung ist unmöglich. Das habe ich schon versucht.«
    »Wann?«
    »Vor ein paar Monaten. Das wissen Sie nicht? Ich bin sicher, daß es beim Gericht Unterlagen darüber gibt. War’s diesmal nichts mit dem Nachlesen?«
    »Was ist aus der Scheidung geworden?«
    »Ich habe sie zurückgezogen.«
    »Warum?«
    »Weil ich es satt hatte, auf mich einprügeln zu lassen. Er hätte mich umgebracht, wenn ich sie nicht zurückgezogen hätte. Er behauptet, er liebt mich.«
    »Eindeutig. Darf ich Sie etwas fragen? Haben Sie einen Vater oder einen Bruder?«
    »Wieso?«
    »Wenn meine Tochter von ihrem Mann geschlagen würde, dann bräche ich ihm das Genick.«
    »Mein Vater weiß nichts davon. Meine Eltern sind immer noch wütend wegen meiner Schwangerschaft. Sie werden nie darüber hinwegkommen. Sie haben Cliff von dem Moment an verachtet, als er zum erstenmal den Fuß in unser Haus setzte, und als dann der Skandal losbrach, haben sie sich völlig von mir zurückgezogen. Ich habe nicht mehr mit ihnen gesprochen, seit ich von zu Hause fort bin.«
    »Kein Bruder?«
    »Nein. Niemand, der auf mich aufpaßt. Bis jetzt.«
    Das trifft mich hart, und es dauert eine Weile, bis ich es verdaut habe. »Ich werde tun, was immer Sie möchten«, sage ich. »Aber Sie müssen die Scheidung einreichen.«
    Sie wischt sich die Tränen mit den Fingern ab, und ich gebe ihr ein Papiertaschentuch vom Nachttisch. »Ich kann die Scheidung nicht einreichen.«
    »Warum nicht?«
    »Er würde mich umbringen. Das sagt er ständig. Sehen Sie, als ich es zum ersten Mal versucht habe, hatte ich einen wirklich lausigen Anwalt; ich hatte ihn aus den Gelben Seiten. Ich dachte, einer wäre so gut wie der andere. Und er hielt es für ganz besonders klug, Cliff die Scheidungsklage bei der Arbeit überbringen zu lassen, vor den Augen seiner besten Kumpel, seiner Saufkumpane und den Typen aus dem Softballteam. Das war natürlich furchtbar demütigend für Cliff. Danach kam ich zum erstenmal ins Krankenhaus. Eine Woche später habe ich die Scheidungsklage zurückgezogen, und er droht mir immer noch. Er würde mich umbringen.«
    Die Angst und das Grauen in ihren Augen sind unübersehbar. Sie bewegt sich ein wenig und verzieht dabei das Gesicht, als zuckte ein heftiger Schmerz durch ihren Knöchel. Sie stöhnt und sagt: »Könnten Sie ein Kissen drunterlegen?«
    Ich springe vom Bett. »Natürlich.« Sie deutet auf zwei dicke Kissen auf dem Stuhl.
    »Eins von denen dort«, sagt sie. Das bedeutet natürlich, daß das Laken zurückgeschlagen werden muß. Ich helfe dabei.
    Sie schweigt einen Moment, schaut sich um, dann sagt sie: »Geben Sie mir auch das Nachthemd.«
    Ich tue einen zittrigen Schritt zum Tisch und gebe ihr das frische Hemd. »Brauchen Sie Hilfe?« frage ich.
    »Nein, drehen Sie sich nur um.« Während sie das sagt, zieht sie bereits an dem schmutzigen Nachthemd und streift es sich über den Kopf. Ich drehe mich sehr langsam um.
    Sie läßt sich Zeit. Aus purem Übermut wirft sie das schmutzige Hemd auf den Boden vor mir. Sie ist hinter mir, kaum einen Meter

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