Der Regenmacher
ihm in gleicher Münze heim. Die Lautstärke steigt, und ich kann ziemlich schnell heraushören, daß es darum geht, ob sie vor Gericht gegen ihn aussagen wird oder nicht. Sieht so aus, als hätte sie sich noch nicht entschieden. Sieht so aus, als machte das Cliff wirklich Sorgen. Er ist ziemlich schnell auf hundertachtzig, kein Wunder bei einem Macho-Typ wie ihm, und sie sagt ihm, er solle nicht so herumbrüllen. Er sieht sich um und versucht, seine Stimme zu senken. Ich kann nicht hören, was er sagt.
Nachdem sie ihn provoziert hat, beruhigt sie ihn wieder, aber er ist immer noch sehr unglücklich. Er schmort vor sich hin, während sie einander eine Zeitlang ignorieren.
Dann tut sie es wieder. Sie murmelt etwas, und sein Rücken versteift sich. Seine Hände zittern, er pöbelt herum. Sie streiten eine Minute, dann hört sie auf zu reden und ignoriert ihn. Cliff kann nicht hinnehmen, daß man ihn ignoriert, also wird er lauter. Sie sagt ihm, er solle still sein, sie befänden sich in einem öffentlichen Raum. Er wird noch lauter, redet über das, was er tun wird, wenn sie nicht alles fallenläßt, daß man ihn ins Gefängnis stecken könnte und so weiter und so weiter.
Sie sagt etwas, das ich nicht hören kann, und er wischt plötzlich mit einem Schlag seinen hohen Styroporbecher vom Tisch und springt auf. Die Cola fliegt durch den halben Raum und verspritzt kohlensäurehaltigen Schaum über die anderen Tische und den Fußboden. Sie ergießt sich über sie. Sie keucht, schließt die Augen und beginnt zu weinen. Ich höre, wie er schimpfend und fluchend den Korridor entlangstampft.
Rein instinktiv springe ich auf, aber sie schüttelt rasch den Kopf. Ich setze mich wieder hin. Die Kassiererin hat die Szene beobachtet und erscheint mit einem Handtuch. Sie gibt es Kelly, die sich die Cola vom Gesicht und von den Armen wischt.
»Tut mir leid«, sagt sie zu der Kassiererin.
Ihr Nachthemd ist durchweicht. Sie kämpft gegen die Tränen an, während sie ihren Gipsverband und ihr Bein abtrocknet. Ich bin in der Nähe, aber ich kann nicht helfen. Vermutlich hat sie Angst, er könnte zurückkommen und uns dabei erwischen, daß wir miteinander reden.
In diesem Krankenhaus gibt es viele Orte, wo man sich niederlassen und einen Kaffee oder eine Cola trinken kann, aber sie hat ihn hierher gebracht, weil sie wollte, daß ich ihn sehe. Ich bin ziemlich sicher, daß sie ihn provoziert hat, damit ich mit eigenen Augen sehe, wie cholerisch er ist.
Wir sehen uns lange Zeit an, während sie sich methodisch das Gesicht und die Arme abwischt. Tränen strömen ihr übers Gesicht, und sie tupft sie ab. Sie verfügt über diese unerklärliche weibliche Fähigkeit, Tränen zu produzieren, ohne den Eindruck zu erwecken, daß sie weint. Sie schluchzt und heult nicht. Ihre Lippen beben nicht. Ihre Hände zittern nicht. Sie sitzt einfach da, in einer anderen Welt, sieht mich mit tränenverschleierten Augen an und betupft ihre Haut mit dem weißen Handtuch.
Zeit vergeht, aber ich weiß nicht, wieviel. Ein verkrüppelter Aufwärter erscheint und wischt den Boden um sie herum. Drei Schwestern kommen hereingestürmt, laut redend und lachend, bis sie sie sehen, dann sind sie plötzlich still. Sie mustern sie, flüstern miteinander und sehen gelegentlich in meine Richtung.
Er ist lange genug fort, als daß man wohl nicht mehr mit seiner Rückkehr rechnen muß, und es ist ein verlockender Gedanke, den Gentleman zu spielen. Die Schwestern verlassen die Cafeteria, und Kelly winkt langsam mit einem Zeigefinger. Jetzt kann ich zu ihr kommen.
»Tut mir leid«, sagt sie, als ich mich neben ihr niederhocke.
»Das ist schon okay.«
Und dann sagt sie etwas, das ich nie vergessen werde. »Bringen Sie mich in mein Zimmer?«
In einer anderen Umgebung hätten diese Worte weitreichende Konsequenzen haben können, und für einen Augenblick schweifen meine Gedanken ab zu einem exotischen Strand, an dem die beiden Liebenden endlich beschlossen haben, einander in die Arme zu sinken.
Ihr Zimmer ist natürlich ein Raum mit einer Tür, die von unzähligen Leuten geöffnet werden kann. Sogar Anwälte können in ihn eindringen.
Ich steuere Kelly und ihren Rollstuhl behutsam um die Tische herum und auf den Flur hinaus. »Fünfter Stock«, sagt sie über die Schulter. Ich habe es nicht eilig. Ich bin sehr stolz auf mich, weil ich so ritterlich bin. Mir gefällt die Tatsache, daß ihr sämtliche Männer hinterhersehen, während wir den Korridor entlangrollen.
Im
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