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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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Tretjak eine Rechnung offen hatte? Wann hatte er, Dimitri, Tretjak zuletzt gesehen? Sagten ihm die Namen Kufner und Kerkhoff etwas?
    Dimitri hatte sich inzwischen über den großen Käseteller der deutschen Bahn hergemacht, was ihm dabei half, die Fragen des Kommissars an einsilbigen Antworten und gelegentlichem Achselzucken abprallen zu lassen. Doch am Ende des Gesprächs riss Dimitri ein Stück der Speisekarte ab und kritzelte mit dem Stift des Kommissars ein paar Worte und ein paar Zahlen auf eine unbedruckte Stelle.
    Draußen war es dunkel geworden, der Kommissar hatte seine Getränke bezahlt und stand jetzt auf. Dimitri erhob sich auch und gab ihm das Stück Papier. »Im Klinikum Großhadern in München, Station F, Zimmer 324, liegt ein Mann, den Sie besuchen sollten«, sagte Dimitri. »Er wird sterben und liegt dort nicht mehr lange. Bauchspeicheldrüsenkrebs, Endstadium.« Maler sah ihn unbewegt an, aber Dimitri hatte den Eindruck, dass ihm die Erwähnung der Klinik – oder der Krankheit – unangenehm war. »Der Mann heißt Krabbe und ist selbst Arzt«, fuhr Dimitri fort, »Dr. Martin Krabbe. Ihr Computer wird ihn als Hals-Nasen-Ohrenspezialisten mit Praxis am Tegernsee ausweisen. Vergessen Sie das. Geben Sie ihm diesen Zettel, und dann unterhalten Sie sich mit ihm über seine Schüler. Er war nämlich auch eine Art Lehrer.«
    Dimitri sah, dass Maler erst auf dem Bahnsteig auf den Zettel blickte, wo Station und Zimmernummer notiert waren – und ein Begriff, mit dem Maler nichts anfangen konnte, denn er war nur für Martin bestimmt.
Leber venezianisch
, hatte Dimitri notiert. Unter dieser Bezeichnung hatte sich Dr. Martin Krabbe nicht nur in italienischen Restaurants sein Lieblingsgericht servieren lassen, sondern auch eine anspruchsvolle Methode entwickelt, einen Menschen zu töten. Dimitri fragte sich, ob der Kommissar die Bedeutung seines Tipps richtig einschätzte.
     
    Als sich der Zug in Bewegung setzte, holte er das Handy heraus. Er wollte die Nachricht von Gabriel Tretjak lesen. Heute Mittag hatte Dimitri eine SMS von ihm erhalten:
Mir egal, wo du bist. Muss dich sofort treffen.
GT .
Am Nachmittag hatten sie telefoniert. Jetzt hatte Tretjak einen Vorschlag geschickt:
Übermorgen, Hamburg, Café Paris, zehn Uhr.
    Dimitri tippte die Antwort, sie bestand aus einer kleinen Korrektur.
Zehn Uhr dreißig.
    Er war schließlich Rentner, er wollte ausschlafen.

Siebter Tag
17. Mai
    Bozen, Hotel
Zum Blauen Mondschein
, 6 Uhr
    Es war der dritte Tag nach ihrem grausigen Fund im Zimmer 242. Maria hatte Frühschicht und kam zur Arbeit, als wäre nichts gewesen. Sie war gefragt worden, ob sie psychologische Betreuung benötige. Sie hatte nur den schmalen Kopf geschüttelt.
    Maria betrat den
Blauen Mondschein
durch den Personaleingang hinten im Hof. Wie immer ging sie zuerst zur Rezeption, um zu fragen, ob irgendetwas Besonderes anfalle. Dort hatte Max Dienst. Maria und Max kannten sich seit knapp vierzig Jahren. Für sie war er immer noch der kleine Max, den sie einst als Hotelpagen angelernt hatte. Der kleine Max war inzwischen fast 65, stand kurz vor der Pensionierung und wog 120 Kilo, er liebte alle Arten von Nudeln. Doch das änderte nichts an ihrem Blick. Die 83jährige Maria sah immer noch den Max, der er einmal gewesen war.
    »Maria«, sagte Max, »für dich ist Post gekommen. Irgendwie besondere Post, glaube ich.«
    Er gab ihr ein großes Kuvert, dick, wattiert. In schönen Buchstaben stand darauf:
Für Frau Maria Unterganzner.
Das Kuvert hatte keinen Absender. Maria nahm es und öffnete es. Als würde sie täglich solche Briefe öffnen. Es störte sie nicht, dass Max ihr zusah. Was sollte da schon drinstehen? Sie hatte keine Geheimnisse vor ihrem Hotel.
    Es war tatsächlich eine besondere Post. Im ersten Moment wirkte der Inhalt wie eine Art Urkunde. Eine Seite Papier, aber eigentlich auch kein Papier, feiner, dünner, wie ein Pergament. Bunt, an allen Seiten verziert. Gelbe und rote Linien, Tierköpfe, ein Wappen. Und in der Mitte standen eine Zahl und ein paar Worte.
Zimmer 242
, stand da, und:
Liebe Maria, bitte erzählen Sie der Polizei die Geschichte von Gabriel Tretjak.
Keine Unterschrift, nichts weiter sonst. Die Buchstaben schienen mit Füller geschrieben, schwungvoll, fast etwas überladen, irgendwie antik.
    Ein paar Minuten später rief Max bei der Polizei an. Erst beim Revier um die Ecke, die kannten sie, die riefen sie öfters an, wenn wieder irgendwelche Touristen mit ihren Autos den

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