Der Regler
dem Tisch standen und sagte: »Alkoholfrei, koffeinfrei … Sie sind ein risikofreudiger Typ, was?« Er sah, wie sich eine feine ironische Falte um einen Mundwinkel des Kommissars legte, der die Bemerkung aber sonst nicht quittierte. »Tretjak, Gabriel Tretjak …«, sagte Dimitri vor sich hin. »In meiner Branche ist es genau wie in jeder anderen, Herr Kommissar. Es gibt ein paar erstklassige Leute, einige mittelmäßige und dann noch die vielen Unbrauchbaren. Und genau wie in jeder anderen Branche fallen herausragende Begabungen schnell auf.«
»So war es bei Tretjak?«
Dimitri nickte. »Es ist wie beim – sagen wir – Eishockey. Auf einmal ist da ein junger Bursche. Irgendwo auf einem schlechten Platz in der Provinz tanzt er anders mit dem Puck als die anderen. Es dauert nicht lange, dann entsteht um diesen Jungen herum Unruhe, Aufregung. Und dann stehen plötzlich mächtige Leute an der Bande und wollen ihn mitnehmen.« Er erklärte, dass der junge Gabriel Tretjak dadurch auffiel, dass er auf ungewöhnliche Weise ungewöhnliche Aufträge erledigte. Einer, der es verstand, an Strippen zu ziehen und dadurch Dinge zu verändern. Wobei zunächst unklar gewesen war, woher die Aufträge kamen, wer dieser Tretjak war. War das überhaupt sein richtiger Name? »In meiner Welt«, sagte Dimitri, »sieht man überall Geheimnisse.«
»Was waren das für Aufträge?«, fragte Maler.
»Harmloses Zeug, könnte man sagen«, antwortete Dimitri. »Einmal sorgte er zum Beispiel für die Zerschlagung einer neugegründeten Sekte in Köln. Das mit den Sekten ist ja nicht einfach. Tretjak initiierte zeitgleich Aktionen gegen die Gründer. Einer wurde wegen Drogenhandels verhaftet, ein anderer, Redakteur beim Westdeutschen Rundfunk, durch die Öffentlichmachung seiner Sektenzugehörigkeit in Schwierigkeiten gebracht. Tretjak jonglierte geschickt mit Informationen. Nach knapp drei Wochen existierte die Sekte nicht mehr.«
»Und warum hat er das getan?«
»Man kam zu keiner besseren Erklärung als der, dass der Auftrag von einem Industriellen gekommen war, dessen Tochter sich in diese Sekte verirrt hatte.«
»Und das war Ihnen aufgefallen?«
»Mir persönlich noch nicht. Aber kurze Zeit später versuchte er, einen deutschen Ingenieur aus einem algerischen Untersuchungsgefängnis freizubekommen. Dazu brauchte er meine Hilfe. Und das sprach für seine Fähigkeiten. Will sagen: Er hätte von meiner Existenz eigentlich gar nichts wissen dürfen.«
Dimitri griff nach der Speisekarte und überflog sie schnell. Er hatte Hunger, winkte dem Kellner und deutete auf das Foto mit dem großen Käseteller. »Ich fing natürlich an zu recherchieren«, sagte er. »Niemand von uns konnte sich vorstellen, dass Tretjak auf eigene Rechnung arbeitete. Jeder vermutete hinter ihm eine Organisation, einen Geheimdienst, ein Wirtschaftsunternehmen, die Mafia …«
»Dem war aber nicht so?«, fragte Maler.
»Nein, dem war nicht so«, antwortete Dimitri. »Aber jetzt wurde er natürlich umworben.«
Maler sah ihn an. »Die mächtigen Leute tauchten an der Bande auf … Waren Sie auch einer, der ihn mitnehmen wollte?«
»Vielleicht.« Dimitri spürte sein Handy in der Hosentasche vibrieren. Eine Nachricht. Er wusste genau, von wem sie kam.
»Und wer hat ihn dann gekauft?«
Dimitri ließ sich Zeit mit der Antwort, wählte seine Worte genau. »Gekauft hat ihn niemand. Er ließ sich für seine Arbeit bezahlen, ja. Aber meines Wissens hat er sich nie jemandem angeschlossen.«
Maler blätterte jetzt in einem kleinen Notizbuch. »Bei Gabriel Tretjak wird gerade eine Steuerprüfung durchgeführt«, sagte er. »Die Finanzbeamtin hat mir gesagt …«
»Frau Neustadt«, unterbrach ihn Dimitri. »Frau Fiona Neustadt.«
Maler sah ihn überrascht an.
Dimitri lächelte und hob entschuldigend die Arme. »Sorry, Herr Kommissar, Information war zu lange mein Geschäft, meine Droge. Manchmal wird man rückfällig.« Dieser Polizist, der jetzt irritiert sein Notizbuch zuklappte, war ihm sympathisch. »Was hat Ihnen denn Frau Neustadt gesagt?«
»Dass Tretjak bei seiner Arbeit heftig im Leben anderer Menschen herumfuhrwerkt«, sagte Maler nach einer kleinen Pause. »Und dass dabei wahrscheinlich einige Aggressionen gegen ihn entstehen. Das hat sie gesagt. Ich glaube, sie wollte ihn irgendwie in Schutz nehmen …«
Das war der Auftakt für die Art von Polizistenfragen, auf die Dimitri gewartet hatte. Wen hatte Tretjak zum Feind? Gab es einen Menschen, mit dem
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