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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Larner«, sagte er.
    »Das schlägt dem Faß den Boden aus«, sagte Alvin bewundernd. »Er tut schon wie einer deiner Schüler klingen.« Lag eine gewisse Schärfe in seiner Stimme?
    In Peggys Stimme lag ganz bestimmt eine gewisse Schärfe. »Ich höre ihn lieber fluchen, als daß ich dich ›tut klingen‹ sagen höre.«
    Alvin beugte sich zu Mike Fink vor, um es ihm zu erklären, wandte dabei aber keine Sekunde lang den Blick von Peggys Gesicht ab. »Ihr müßt wissen, Miss Larner kennt alle Worte und weiß einfach genau, wo sie hingehören.«
    Arthur Stuart sah die Wut auf ihrem Gesicht, doch sie hielt ihre Zunge im Zaum. Die beiden lagen irgendwie im Streit; doch worum ging es dabei? Miss Larner hatte ihre Grammatik stets verbessert, seit sie Alvin und Arthur gemeinsam unterrichtet hatte, als sie in Hatrack River Lehrerin gewesen war.
    Um so mehr verwirrte Arthur Stuart die Art und Weise, wie die älteren Männer – nicht Verily, aber Horace und Armor-of-God, und sogar Mike Fink – sich anschauten und verstohlen lächelten, als wüßten sie genau, was zwischen Alvin und Peggy vorging, als verstünden sie es besser als die beiden selbst.
    Mike Fink ergriff wieder das Wort. »Wenn wir uns jetzt statt der Grammatik wieder Angelegenheiten widmen können, bei denen es um Leben und Tod geht …«
    Woraufhin Horace leise murmelte: »… das neckt sich.«
    »Tut mir leid, daß ich über ihre Pläne nicht mehr als das in Erfahrung gebracht habe«, sagte Fink. »Aber wir sind nicht unbedingt gute Freunde oder so – sie würden mich genauso gern hinterrücks erstechen, wie sie mir auf die Stiefel pinkeln würden, je nachdem, ob sie gerade ein Messer oder ihren … was auch immer … in der Hand halten.« Er sah erneut zu Peggy Larner hinüber und errötete. Errötete! Dieses grimmige Gesicht, vernarbt und von Kämpfen gezeichnet, dem ein Ohr fehlte, aber trotzdem schoß das Blut in sein Gesicht wie bei einem Schuljungen, den seine Lehrerin getadelt hatte.
    Doch noch bevor die Röte wieder verblassen konnte, hatte Alvin die Hand auf Finks Arm gelegt und ihn hinabgezogen, damit er sich zu ihm auf den Boden setze, und nun legte er ihm den Arm lässig über die Schulter. »Ihr und ich, Mike, wir beide können uns einfach nicht merken, daß man vor einigen Leuten höflich spricht und vor anderen offen und ehrlich. Aber wenn Ihr mir helft, werde auch ich Euch helfen.«
    Und mit dieser ungezwungenen Bemerkung hatte Alvin alles wieder in Ordnung gebracht. In seinen Worten lag einfach eine bestimmte schlichte Aufrichtigkeit, und deshalb hatte man nichts dagegen, daß er so sprach, selbst wenn man merkte, daß er einen nur aufmuntern wollte. Man wußte, man war ihm nicht gleichgültig; ihm lag so viel an einem, daß er versuchte, einen aufzumuntern, und deshalb gelang es ihm auch.
    Als Arthur Stuart daran dachte, daß Alvin die Leute immer aufmunterte, fiel ihm ein, was Alvin getan hatte, um ihn aufzumuntern. »Warum singst du nicht dieses Lied, Alvin?«
    Nun war es an Alvin, vor Verlegenheit zu erröten. »Du weißt doch, daß ich kein guter Sänger bin, Arthur. Nur weil ich es dir vorgesungen habe …«
    »Er hat sich ein Lied ausgedacht«, sagte Arthur Stuart. »Darüber, hier eingesperrt zu sein. Wir haben es gestern gemeinsam gesungen.«
    Mike Fink nickte. »Ein Schöpfer muß wohl ständig etwas zu tun haben.«
    »Ich habe nichts anderes zu tun, außer zu denken und zu singen«, sagte Alvin. »Sing du es, Arthur Stuart, aber ohne mich. Du hast eine sehr gute Singstimme.«
    »Ich singe es, wenn du willst«, sagte Arthur. »Aber es ist dein Lied. Du hast es erfunden, den Text und die Melodie.«
    »Du singst es«, sagte Alvin. »Ich weiß nicht mal mehr, ob ich mich überhaupt noch an den gesamten Text erinnere.«
    Arthur Stuart stand gehorsam auf und fing mit seiner piepsigen Stimme zu singen an:
    Ich bin so gern ein Wandergesell
    Der zieht durch alle Lande.
    Man könnte sagen, ich ließe schnell
    Hinter mir alle Bande
    Und bin geflohen nominell.
    Arthur Stuart schaute zu Alvin hinüber. »Du mußt aber mit mir den Refrain singen.«
    Also sangen sie gemeinsam den ausgelassenen Refrain:
    Bei Tagesanbruch steh ich auf
    Und setze fort den ew’gen Lauf.
    Mein Ziel ist stets der Horizont – oh!
    Mein Ziel, das ist der Horizont.
    Dann sang Arthur allein weiter, doch nun fiel Alvin harmonisch mit seinem Tenor ein, und ihre Stimmen verschmolzen angenehm miteinander.
    Bis man mich zerrte aus dem Bett
    Und warf mich in die Zelle

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