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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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selbst, während das dritte Mädchen unbeirrt weitermachte. Peggy blieb keine andere Wahl, als die beiden Mädchen, die sie gepackt hielt, so fest zu stoßen, daß sie, alle viere ausgestreckt, auf dem Gras zu liegen kamen, während sie das dritte Mädchen von dem Jungen wegzerrte.
    Wie sie es befürchtet hatte, war es dem Jungen nicht gut ergangen. Seine Nase blutete, und er stand nur langsam auf. Als das Mädchen, das Peggy festhielt, einen Satz in seine Richtung machte, flitzte er auf allen vieren davon, um ihr zu entwischen.
    »Ihr solltet euch schämen«, sagte Peggy. »Was auch immer er getan hat, diese Tracht Prügel war es nicht wert!«
    »Er hat mein Eichhörnchen getötet!« rief das Mädchen, das sie festhielt.
    »Aber wie kannst du ein Eichhörnchen haben?« fragte Peggy. »Es wäre grausam von dir, es einzusperren.«
    »Ich hab es gar nicht eingesperrt«, sagte das Mädchen. »Es war mein Freund. Ich hab es gefüttert, und die anderen haben es gesehen – es kam zu mir, und ich habe es den harten Winter über am Leben gehalten. Er hat es gewußt! Er war eifersüchtig, daß das Eichhörnchen zu mir gekommen ist, und deshalb hat er es umgebracht.«
    »Es war ein Eichhörnchen!. « rief der Junge – heiser und ziemlich schwach, doch es war klar, daß es ein Schrei hatte sein sollen. »Woher sollte ich denn wissen, daß es dein Eichhörnchen war?«
    »Dann hättest du gar keins töten dürfen«, sagte ein anderes Mädchen. »Nicht, bis du dir ganz sicher warst.«
    »Was auch immer er dem Eichhörnchen angetan hat, und mag es auch böse gewesen sein«, sagte Peggy, »es war falsch und unchristlich von euch, ihn niederzuschlagen und so zu verletzen.«
    Der Junge sah sie nun an. »Bist du die Richterin?« fragte er.
    »Richterin? Wohl kaum!« sagte Peggy lachend.
    »Aber du kannst nicht der Schöpfer sein, denn der ist ein Junge. Ich schätze, du bist eine Richterin.« Der Junge schaute noch überzeugter drein. »Tante Becca hat gesagt, die Richterin würde kommen, und dann der Schöpfer, also kannst du nicht der Schöpfer sein, weil die Richterin noch nicht hier ist, aber du könntest die Richterin sein, weil die ja zuerst kommt.«
    Peggy wußte, daß andere Leute die Worte von Kindern oft für Unsinn hielten, wenn sie sie nicht sofort verstanden. Aber Peggy wußte auch, daß die Worte von Kindern stets im Zusammenhang mit ihrer Sicht der Welt standen und durchaus Sinn ergaben, wenn man nur wußte, wie man sie hören mußte. Jemand hatte ihnen erzählt – anscheinend Tante Becca –, daß eine Richterin und ein Schöpfer kommen würden. Es gab nur einen Schöpfer, von dem Peggy wußte. Kam Alvin hierher? Was war das für ein Ort, an dem Kinder von Schöpfern wußten und kein Herzfeuer hatten?
    »Ich dachte, euer Haus stünde leer«, sagte Peggy, »aber wie ich sehe, ist dem nicht so.«
    Denn in der Tat stand nun eine Frau auf der Schwelle, lehnte sich gegen den Türpfosten und betrachtete sie gelassen, während sie den Inhalt einer Schüssel langsam mit einem Holzlöffel umrührte.
    »Mama!« rief das Mädchen, das Peggy noch immer festhielt. »Sie hat mich gepackt und will mich nicht loslassen!«
    »Das stimmt!« rief Peggy sofort. »Und ich werde sie erst loslassen, wenn ich sicher bin, daß sie den Jungen hier nicht totschlagen wird.«
    »Er hat mein Eichhörnchen getötet, Mama!« rief das Mädchen.
    Die Frau sagte nichts, rührte einfach weiter.
    »Kinder«, sagte Peggy, »vielleicht sollten wir zu dieser Lady auf der Schwelle hinübergehen und anständig mit ihr sprechen, statt wie Flußratten zu schreien.«
    »Mutter mag dich nicht«, sagte eins der Mädchen. »Das sehe ich.«
    »Das ist eine Schande«, sagte Peggy. »Denn ich mag sie.«
    »Lieber nicht«, sagte das Mädchen. »Du kennst sie doch gar nicht, und würdest du sie kennen, würdest du sie noch immer nicht mögen, weil niemand sie mag.«
    »Wie kannst du nur so etwas Schreckliches über deine Mutter sagen«, erwiderte Peggy.
    »Ich muß sie nicht mögen«, sagte das Mädchen. »Ich liebe sie.«
    »Dann bring mich zu der Frau, die du liebst, aber nicht magst«, sagte Peggy, »und laß mich selbst meine Schlüsse ziehen.«
    Als sie sich der Tür näherten, stellte sich bei Peggy der Eindruck ein, daß die Mädchen recht haben könnten. Die Frau wirkte in der Tat nicht herzlich. Aber andererseits wirkte sie auch nicht feindselig. Ihr Gesicht war völlig gefühlsleer. Sie rührte einfach den Inhalt der Schüssel um.
    »Mein Name ich Peggy

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