Der Reisende
Rote von ihnen allen war und dermaßen getötet und gefoltert hat, daß sogar die Shaw-Nee kotzen mußten.«
»Ich erinnere mich an diese Geschichten.«
»Dann haltet diese blutigen Hände hoch, mein Freund, damit sie die Bedeutung bekommen, die Ihr ihnen geben wollt.«
Harrison schüttelte den Kopf. »Ich kann mit dem Blut nicht leben.«
»Dann habt Ihr tatsächlich ein Gewissen?«
Harrison lachte. »Das Blut tropft in mein Essen. Es befleckt meine Kleidung. Den Leuten wird deshalb schlecht.«
»Wenn ich Ihr wäre, würde ich mit Handschuhen essen und dunkle Kleidung tragen.«
Harrison war mit dem Essen fertig. Calvin ebenfalls.
»Du willst, daß ich das tue, um deinen Bruder zu verletzen.«
»Nicht, um ihn zu verletzen. Nur, um ihn ruhig zu halten und dafür zu sorgen, daß er sich nicht sehen läßt. Ihr habt … wie viele … acht Jahre lang wie ein Hund gelebt. Jetzt ist er an der Reihe.«
»Es gibt kein Zurück«, sagte Harrison. »Sobald ich Lügen erzähle, werde ich bis zum Tag meines Todes blutige Hände haben.«
Calvin zuckte mit den Achseln. »Harrison, Ihr seid ein Lügner und Mörder, aber Ihr liebt die Macht mehr als das Leben. Leider versteht Ihr Euch nur ganz beschissen darauf, sie zu bekommen und zu behalten. Ta-Kumsaw und Alvin und Tenskwa-Tawa haben Euch zum Trottel gemacht. Ich sage Euch, wie Ihr ungeschehen machen könnt, was sie Euch angetan haben. Wie Ihr Euch befreien könnt. Ich gebe keinen Rattenzahn darum, ob Ihr tut, was ich sage, oder nicht.« Er erhob sich, um zu gehen.
Harrison richtete sich halbwegs auf und ergriff Calvins Hosenbeine. »Jemand hat mir gesagt, daß Alvin … daß er ein Schöpfer ist. Daß er echte Macht hat.«
»Nein, die hat er nicht«, sagte Calvin. »Jedenfalls müßt Ihr Euch darüber keine Sorgen machen. Denn versteht Ihr, mein Freund, er kann seine Macht nur zum Guten einsetzen, aber niemals, um jemandem zu schaden.«
»Nicht mal mir?«
»Vielleicht würde er bei Euch eine Ausnahme machen.« Calvin grinste niederträchtig. »Ich weiß, ich würde eine machen.«
Harrison zog die Hände von Calvins Kleidung zurück. »Sieh mich nicht so an, du kleines Wiesel.«
»Wie sehe ich Euch denn an?« fragte Calvin.
»Als sei ich Abschaum. Fälle du kein Urteil über mich.«
»Könnt Ihr mir einen einzigen guten Grund nennen, warum ich das nicht tun sollte?«
»Weil ich, ganz gleich, was ich je getan habe, nie meinen eigenen Bruder verraten habe, Junge.«
Nun war es an Calvin, in ein verächtliches Gesicht zu schauen. Er spuckte neben Harrisons Knie auf den Boden. »Freßt Eiter und sterbt«, sagte er.
»War das ein Fluch?« fragte Harrison höhnisch, als Calvin davonging. »Oder nur eine freundliche Warnung?«
Calvin antwortete ihm nicht. Er dachte bereits an andere Dinge. Zum Beispiel, wie er das Geld für eine Passage nach Europa auftreiben könnte. Erster Klasse. Er würde erster Klasse fahren. Vielleicht sollte er mal feststellen, ob sein Talent sich darauf erstreckte, Geld aus dem Beutel eines Ladenbesitzers fallen zu lassen, der seine Einnahmen zur Bank brachte. Wenn er es richtig anstellte, würde niemand es sehen. Man würde ihn nicht erwischen. Und selbst, wenn jemand sah, wie das Geld herausfiel und er es aufhob, konnte man ihm nur vorwerfen, verlorenes Geld gefunden zu haben; schließlich hatte er den Geldbeutel ja nicht angerührt. Das würde funktionieren. Und es war ganz leicht. So leicht, daß es schon dumm war, daß Alvin es nie getan hatte. Die Familie hätte das Geld brauchen können. Sie hatte einige harte Jahre durchlebt. Aber Alvin war zu egoistisch, um an irgend jemand anderen außer sich selbst zu denken, oder an etwas anderes außer seinem dummen Plan, Leuten, die kein Talent dafür hatten, das Schöpfen beizubringen.
Eine Passage erster Klasse nach England, und von dort aus über den Kanal nach Frankreich. Neue Kleider. Es konnte gar nicht so schwierig sein, das Geld dafür zu bekommen. In New Amsterdam wechselte sehr viel Geld den Besitzer, und nichts konnte verhindern, daß ein Teil davon vor Calvins Füßen auf die Straße fiel. Gott hatte ihm die Macht gegeben, und das hieß, es mußte Gottes Wille sein, daß er sie auch benutzte.
Wäre es nicht zum Schießen, wenn Harrison Calvins Rat tatsächlich annahm?
6 Wahre Liebe
Amy Sump war es gleichgültig, was ihre Freundinnen oder sonst wer sagten. Sie brachte Alvin Maker Liebe entgegen. Wahre Liebe. Reine, tiefe, beständige Liebe, die die Zeit überdauern
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