Der Reisende
würde.
Würde er ihr doch nur offen Aufmerksamkeit schenken, damit die anderen es sehen konnten. Statt dessen bedachte er sie immer nur mit diesen Blicken, die das Herz in ihr schneller schlagen ließen. Manchmal befürchtete sie, es läge vielleicht nur daran, daß er ein Schöpfer war, es sei sein Talent, oder was auch immer es war. Sie befürchtete, daß er irgendwie in ihre Brust griff, ihr Herz umdrehte und ihren ganzen Körper zittern ließ. Aber nein, so etwas taten Schöpfer nicht. Vielleicht wußte er ja nicht mal, daß sie ihn liebte. Vielleicht suchte er mit seinen Blicken in Wirklichkeit nur, hoffte darauf, auf ihrem Gesicht ein Zeichen ihrer Liebe zu finden. Deshalb versuchte sie nicht mehr, ihr mädchenhaftes Erröten zu verbergen, wenn ihr Herz so schnell schlug und ihr Gesicht ganz heiß und kribbelig war. Soll er doch sehen, wie sein Blick mich in eine zitternde Masse ergebener Verehrung verwandelt.
Wie sehr sehnte Amy sich doch nach den Unterrichtsstunden, bei denen Alvin mit etwa einem Dutzend Erwachsenen gleichzeitig arbeitete und ihnen erklärte, wie ein Schöpfer die Welt sehen mußte. Wie liebte sie es doch, seine Stimme stundenlang zu hören, ohne Ende. Dann würde sie das wahre Talent in ihr entdecken, und sowohl sie als auch ihr geliebter Alvin würden erfreut feststellen, daß auch sie insgeheim eine Schöpferin war, so daß sie beide imstande waren, die Welt neu zu schaffen und den bösen, scheußlichen Unschöpfer gemeinsam abzuwehren. Dann würden sie ein Dutzend Babys haben, jedes davon Schöpfer mit doppelter Kraft, und tausend Generationen lang würde man von der Liebe zwischen Alvin und Amy Maker singen, auf der ganzen Welt, oder zumindest in ganz Amerika, was für Amy so ziemlich ein und dasselbe war.
Doch Amys Eltern wollten nichts davon wissen. »Wie soll Alvin sich nur darauf konzentrieren können, irgend jemandem irgend etwas beizubringen, wenn du ihm die ganze Zeit über schöne Augen machst?« sagte ihr Mutter, die herzlose alte Schachtel. Sie war aber nicht so grausam wie ihr Vater, der zu ihr sagte: »Reiß dich endlich zusammen, Mädchen! Oder muß ich dir Liebeswindeln anlegen, damit du dich in der Öffentlichkeit nicht beschämst? Liebeswindeln, hast du verstanden?« Oh, sie verstand ihn, den scheußlichen Mann. Ihn mit den Kurbeln und Rollen, Rohren und Trossen. Ihn mit den Pumpen und Motoren und Maschinen, der nicht verstand, was im Herzen eines Menschen vor sich ging. »Das Herz ist auch nur eine Pumpe, mein Mädchen«, sagte er, was bewies, daß er selbst nur eine absolut völlig unmögliche ewige grenzenlos unwissende Maschine von Mensch war, aber nichts über die wahre Natur des Universums sagte. Ihr geliebter Alvin hingegen verstand, daß alle Dinge lebten und Gefühle hatten – alle Dinge außer den schrecklichen toten Maschinen ihres Vaters, die wie lebende Leichen tuckerten. Ein dampfbetriebenes Sägewerk! Das Feuer und Wasser benutzte, um Holz zu schneiden! Was für eine Abscheulichkeit vor dem Herrn! Wenn sie und Alvin verheiratet waren, würde sie Alvin dazu bringen, ihren Vater daran zu hindern, noch mehr Maschinen zu bauen, die dröhnten und zischten und tuckerten und die Hitze der Hölle ausströmten. Alvin würde sie in einem ländlichen Wunderland leben lassen, in dem die Vögel Freunde waren und die Insekten nicht stachen und sie nackt in kristallklaren Teichen schwimmen konnten und er im richtigen Leben statt nur in ihren Träumen zu ihr schwimmen und nach ihr greifen und sie umarmen würde und ihre nackten Körper sich unter Wasser berühren und sich dann vereinigen würden und …
»Nichts da«, sagte ihre Freundin Ramona.
Amy spürte, wie sie vor Zorn brannte. Wer war denn schon Ramona, daß sie entscheiden konnte, was wirklich war und was nicht? Konnte Amy denn niemandem ihre Träume erzählen, ohne sich stets anhören zu müssen, daß es nur ein Traum war, statt einfach so zu tun, als sei es echt, als hätte er sie umarmt? Erinnerte sie sich denn nicht genauso deutlich daran – nein, viel deutlicher – als an alles andere, was ihr in ihrem richtigen Leben jemals zugestoßen war?
»Es ist passiert. Im Mondlicht.«
»Wann?« sagte Ramona, und ihre Stimme troff vor Verachtung.
»Vor drei Nächten. Als Alvin sagte, er wolle in den Wald gehen, um allein zu sein. In Wirklichkeit war er da mit mir zusammen.«
»Tja, und wo ist ein Teich mit so klarem Wasser? Hier in der Gegend gibt es so was nicht, nur Bäche und Flüsse, und du weißt doch,
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