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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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sich, wenn sie mich sehen. Es sieht so aus, als hätte ich die Arme bis zu den Ellbogen in eine Leiche gesteckt.«
    »Sie auf Eure Weise zu erzählen, hat nur dazu geführt, daß Ihr in einer Gasse haust, von Almosen lebt und übriggebliebenen Wein trinkt«, sagte Calvin.
    Harrison musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Wer bist du?«
    »Der Junge, den Ihr töten wolltet, ist mein Bruder Measure. Der andere Junge, den Ihr entführen ließet, ist mein Bruder Alvin.«
    »Und du bist hier, um dich an meiner Lage zu ergötzen?«
    »Sehe ich aus, als würde ich mich ergötzen? Nein, ich bin von zu Hause fortgegangen, weil ich ihre Selbstgerechtigkeit nicht mehr ertragen konnte. Sie wissen alles und haben für keinen anderen Respekt.«
    Harrison zwinkerte. »So Leute konnte ich noch nie ausstehen.«
    »Wollt Ihr hören, wie Ihr Eure Geschichte erzählen solltet?«
    »Ich höre.«
    »Die Roten lagen mit den Weißen im Krieg. Sie benutzten das Land nicht, wollten aber auch nicht, daß weiße Farmer es benutzen. Sie konnten einfach nicht teilen, auch wenn genug Platz vorhanden war. Tenskwa-Tawa behauptete, friedlich zu sein, aber Ihr wißt ja, daß er all diese Tausenden von Roten um sich scharte, damit Ta-Kumsaw ein Heer zur Verfügung hatte. Ihr mußtet irgend etwas tun, um die Weißen dort aufzurütteln, damit sie dieser Bedrohung ein Ende machten. Also, ja, ließet Ihr die beiden Jungen entführen, aber Ihr habt nie den Befehl erteilt, irgend jemanden zu töten …«
    »Wenn ich das sage, springt mir das Blut auf der Stelle an die Hände …«
    »Ich bin sicher, Ihr habt an alle möglichen Lügen gedacht, aber hört mich an«, sagte Calvin.
    »Fahre fort.«
    »Ihr habt nicht befohlen, irgend jemanden zu töten. Das waren nur Lügen, die Eure Feinde über Euch verbreitet haben. Lügen, die von Alvin Miller Junior stammten, der jetzt Alvin Smith genannt wird. Schließlich war Alvin der Renegado-Junge, der weiße Junge, der Ta-Kumsaw ein Jahr lang überall hin begleitete. Er war Ta-Kumsaws Freund – wir benutzen das Wort Freund, weil wir uns in anständiger Gesellschaft befinden –, und deshalb hat er natürlich Lügen über Euch verbreitet. Euer Kampf am Tippy-Canoe hat Ta-Kumsaws Plänen den Rücken gebrochen. Hättet Ihr nicht da und dort zugeschlagen, hätte Ta-Kumsaw später bei Fort Detroit den Sieg davongetragen und danach alle zivilisierten Menschen aus dem Land westlich der Appalachen vertrieben, und rote Heere würden über die Städte des Ostens herfallen, aus den Bergen geströmt kommen und … nun ja, dank Euch und Eures Mutes am Tippy-Canoe wurden die Roten in den Westen des Mizzipy getrieben. Ihr habt das gesamte Land im Westen der ungefährlichen Kolonisierung geöffnet.«
    »Bevor ich das alles sagen könnte, würde das Blut von meinen Händen tropfen.«
    »Na und? Haltet sie hoch und sagt: ›Seht, wie der rote Hexer Tenskwa-Tawa mich bestraft. Er hat meine Hände mit Blut bedeckt. Aber ich bezahle diesen Preis gern. Das Blut an meinen Händen ist der Grund, warum die Weißen die Zivilisation bis zum Ufer des Mizzipy tragen können. Das Blut an meinen Händen ist der Grund, warum die Leute im Osten des Nachts ruhig schlafen können, ohne befürchten zu müssen, daß die Roten kommen und vergewaltigen und töten, wie diese Wilden es immer getan haben.‹«
    Harrison kicherte. »Jedes Wort, das du gesagt hast, ist die größte Rinderkacke, mein Junge, und ich hoffe, du weißt das auch.«
    »Ihr müßt Euch nur entscheiden, ob Ihr Tenskwa-Tawa endgültig den Sieg über Euch gönnen wollt.«
    »Warum sagst du mir das? Was ist für dich drin?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe Euch gesucht, weil ich dachte, Ihr würdet vielleicht etwas über Macht wissen, aber als ich hörte, wie Ihr diese wieselhafte Schwächlingsgeschichte erzähltet, wußte ich, daß Ihr nichts wißt, was ein Mann gebrauchen kann. Ich weiß sogar mehr als Ihr. Und da ich Euch bitten wollte, Euer Wissen mit mir zu teilen, kam es mir nur anständig vor, mein Wissen mit Euch zu teilen.«
    »Wie freundlich von Euch.« Sein Sarkasmus war unüberhörbar.
    »Der Ansicht bin ich nicht. Ich stelle mir nur den Ausdruck auf dem Gesicht meines Bruders Alvin vor, wenn Ihr allen erzählt, daß er der Renegado-Junge war. Wenn Ihr das behauptet, wird niemand ihm glauben, wenn er gegen Euch aussagt. Ja, wenn Ihr an all die schrecklichen Dinge denkt, die die Leute vom Renegado-Jungen denken, wird er sich sogar verstecken müssen. Daß er der grausamste

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