Der Reisende
sahen, daß sie Freunde waren, aber auch, daß Verily der eine Außenseiter war, der nie ganz dazu zu gehören schien. Sie hätten sich niemals vorstellen können, daß er der Grund für die außergewöhnliche Nähe der anderen war. Und dagegen hatte Very nichts einzuwenden. Sollten sie herausfinden, was er da tat, so vermutete er, wäre es wohl wieder wie zu Hause, nur daß es diesmal nicht bei Birkenruten bleiben würde.
Denn aufgrund seiner Studien, vor allem beim Religions-Unterricht, wurde Verily endlich klar, was es mit der ständigen Prügel auf sich hatte. Hexerei. Verily Cooper war ein geborener Hexer. Kein Wunder, daß sein Vater ständig so gehetzt gewirkt hatte. Arise Cooper hatte zugelassen, daß ein Hexer überlebte, und all diese Trachten Prügel waren keineswegs ein Akt der Wut oder des Hasses gewesen, sondern hatten Verily dabei helfen sollen, schnell zu lernen, das geborene Böse in sich zu verbergen, damit niemals jemand erfuhr, daß Arise und Wept Cooper in ihrem eigenen Haus ein Hexenkind versteckt hatten.
Aber ich bin kein Hexer, sagte Verily sich schließlich. Satan ist nie zu mir gekommen. Und was ich tue, fügt niemandem Schaden zu. Wie kann es gegen Gott gerichtet sein, Fässer dicht zu machen oder Jungen zu helfen, die beste Möglichkeit auf Freundschaft unter ihnen zu finden? Wie habe ich meine Kräfte je benutzt, außer, um anderen zu helfen? Hat Christus nicht genau das gelehrt? Der Diener aller zu sein?
Als Verily sechzehn war, ein stämmiger und ziemlich gutaussehender junger Mann mit einiger Bildung und makellosen Manieren, war er zu einem ausgemachten Skeptiker geworden. Wenn die Dogmen über Hexerei so hoffnungslos falsch sein konnten, konnte man sich wahrscheinlich auf keine Lehren der Geistlichen verlassen. Und damit wußte Verily Cooper – intellektuell gesprochen – nicht mehr ein noch aus, denn praktisch all seine Lehrer ließen verlauten, die Religion sei der Eckpfeiler jeder anderen Gelehrsamkeit, und doch führten alle von Verys tatsächlichen Studien ihn zu der Schlußfolgerung, daß Wissenschaften, die auf Religion basierten, bestenfalls unsicher und schlimmstenfalls völliger Blödsinn waren.
Und doch äußerte er kein Sterbenswort über diese Schlußfolgerungen. Als Atheist konnte man genauso schnell verbrannt werden wie als Hexer. Und außerdem war er sich keineswegs sicher, daß er an gar nichts glaubte. Er glaubte nur nicht an das, was die Priester sagten.
Wohin konnte er sich wenden, um zu lernen, was richtig und falsch war, wenn die Prediger schon keine Ahnung hatten, was Gut oder Böse war? Er versuchte, in Manchester Philosophie zu belegen, stellte aber fest, daß – von Newton einmal abgesehen – die Philosophen bestenfalls ein riesiges Meer aus Meinung anzubieten hatten, in dem hier und da wie Trümmer eines gesunkenen Schiffs ein paar Brocken Wahrheit trieben. Und Newton und die Wissenschaftler, die ihm folgten, hatten keine Seele. Mit der Entscheidung, nur das zu studieren, was unter kontrollierten Bedingungen bestätigt werden konnte, hatten sie ihr Tätigkeitsfeld lediglich begrenzt. Die meiste Wahrheit lag außerhalb der ordentlichen Beschränkungen der Wissenschaft; und selbst innerhalb dieser engen Grenzen fand Verily Cooper mit seinem scharfen Auge für Dinge, die nicht genau zusammenpaßten, heraus, daß der Vorwand der Unparteilichkeit zwar universell, die Tatsache an sich aber sehr selten war. Die meisten Wissenschaftler waren – wie die meisten Philosophen oder Theologen – Gefangene landläufiger Meinungen. Es überstieg ihre Kraft, gegen den Strom zu schwimmen, und so blieb die Wahrheit verstreut, unzusammenhängend und aufgeweicht.
Zumindest wußten Anwälte, daß sie es mit Tradition und nicht mit Wahrheit zu tun hatten; mit Übereinkünften, nicht mit der objektiven Wirklichkeit. Jemand, der verstand, wie die Dinge zusammenpaßten, mochte in diesem Beruf vielleicht tatsächlich etwas leisten. Vielleicht ein paar Menschen vor Ungerechtigkeiten retten. Vielleicht sogar, irgendwann fern in der Zukunft, einen oder zwei Schläge gegen die Gesetze gegen Hexerei landen und den wenigen Dutzend Seelen etwas ersparen, die so unvorsichtig waren, sich erwischen zu lassen, während sie die Wirklichkeit auf nicht gebilligte Art und Weise manipulierten.
Was Arise und Wept betraf, so waren sie überaus erfreut, als ihr Sohn Verily sein Heim verließ, ohne Interesse am Familiengeschäft auszudrücken. Ihr ältestes Kind Mocky (abgeleitet von
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