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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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und laßt mich mit dem Gefangenen vorbei. Und Ihr, Makepeace, seid nur noch genau drei Worte davon entfernt, selbst wegen Behinderung der Justiz und Ruhestörung verhaftet zu werden.«
    »Mich verhaften!« rief Makepeace.
    »Jetzt seid Ihr nur noch ein Wort davon entfernt«, sagte Sheriff Doggly. »Na kommt, jedes beliebige Wort ist mir recht. Sagt es. Laßt zu, daß ich Euch einsperre, Makepeace. Ihr wißt, das würde ich liebend gern tun.«
    Makepeace wußte, daß der Sheriff damit die Wahrheit sagte. Er hielt den Mund und trat ein paar Schritte von der Veranda des Gasthofes zurück. Aber dann drehte er sich um, um sie zu beobachten, und ließ ein Lächeln aufblitzen, als er sah, wie Alvin die Straße entlang zum Gerichtshaus geführt wurde, dem Verwaltungsgebäude des Countys mit dem Bezirksgefängnis an der Rückseite.

11 Gefängnis

    Calvins Französisch war fürchterlich – aber das war nicht seine größte Sorge. Gesprochen hatte er in England, und zwar sehr viel, bis er gelernt hatte, mit der gebildeten Betonung eines kultivierten Gentleman zu sprechen. Doch hier in Paris war das Reden sinnlos – ja sogar schädlich. Durch Plaudern wurde man nicht zu einer von Legenden und Gerüchten umrankten Gestalt. Das hatte Calvin von Alvin gelernt, wenngleich der es eigentlich nie hatte lehren wollen. Alvin blies nie in sein Horn. Also bliesen alle anderen für ihn. Und je stiller er wurde, desto mehr prahlten sie mit ihm. Und genau so machte Calvin es von dem Augenblick an, an dem er in Paris eintraf. Er bewahrte Schweigen, während er sich daran machte, Kranke zu heilen. Er hatte an dem Heilen gearbeitet – wie Geschichtentauscher gesagt hatte, das war ein Talent, das die Leute wesentlich mehr zu schätzen wissen würden als das, Käfer zu töten. Calvin konnte keineswegs die raffinierten Dinge tun, von denen Alvin sprach, die winzigen Geschöpfe sehen, die die Krankheit verbreiteten, die Funktionsweise der kleinen Stücke Leben zu verstehen, aus denen menschliche Körper bestanden. Aber gewisse Dinge waren durchaus innerhalb von Calvins Reichweite. Grobe Dinge, zum Beispiel, die Ränder offener Wunden zu schließen und die Haut darüber zu vernarben – Calvin war nicht ganz klar, wie er es tat, aber er konnte es einfach im Geist zusammendrücken, und das Narbenzeug wuchs.
    Und die Haut aufzureißen, damit die häßlichen Flüssigkeiten sich ergossen – das war in der Tat beeindruckend, besonders, wenn Calvin es mit Bettlern auf der Straße machte. Natürlich hatten viele Bettler falsche Verletzungen. Die konnte Calvin kaum heilen, und er würde sich nicht viele Freunde damit machen, indem er die geschminkten Narben von den Gesichtern der Bettler abgleiten ließ. Aber die echten – einigen von denen konnte er helfen, und wenn er das tat, achtete er sorgsam darauf, daß viele Leute genau sehen konnten, was geschah. Daß sie das Heilen sehen konnten, wobei sie ihn niemals prahlen hörten. Er kündigte noch nicht mal im voraus an, was geschehen würde. Er machte viel Aufhebens davon, stellte sich vor den Bettler, ignorierte die geöffnete Hand oder den hingehaltenen Becher, schaute statt dessen zu der Wunde, der Verletzung, der Schwellung hinab. Schließlich verstummte der Bettler, und die Zuschauer waren ebenfalls ganz still und richteten ihre Aufmerksamkeit endlich auf die Stelle, die Calvin so intensiv beobachtet hatte. Mittlerweile sah Calvin die Wunde natürlich deutlich in seiner Vorstellung, hatte sie mit seinem Talent erkundet, durchdacht, was er tun würde. Also griff er in genau diesem Augenblick der Stille mit seinem Talent zu und gab der Haut neue Form. Das Fleisch öffnete sich, oder die Wunde schloß sich, was immer gebraucht wurde.
    Die Zuschauer schnappten nach Luft, murmelten und unterhielten sich dann. Und sobald jemand versuchte, Calvin in ein Gespräch zu ziehen, drehte er sich um und ging davon, schüttelte den Kopf und sagte keinen Ton.
    Die Stimme war viel mächtiger als jede Erklärung. Er wußte, daß sich die Gerüchte über ihn schnell verbreiteten, denn in dem Cafe, in dem er zu Mittag aß (aber nicht heilte), sprachen die Leute von dem geheimnisvollen stummen Heiler, der Wunder wirkte, wie einst Jesus Christus es getan hatte.
    Allerdings hoffte Calvin, man würde nicht über die Tatsache sprechen, daß er die Leute nicht unbedingt heilte, außer durch Zufall. Alvin konnte in die tief verborgenen Geheimnisse des Körpers eindringen und wirklich heilen, aber so kleine Einzelheiten sah

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