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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Weise trunksüchtig, wie es bei Freda der Fall ist. Er hat den Schnaps zu sich genommen, um das schreckliche schwarze Geräusch des Todes zu ertränken. Das habe ich hingebogen, und danach brauchte er den Schnaps nicht mehr. Aber Freda – in ihr giert etwas anderes danach, und das verstehe ich noch nicht.«
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll mal zu dir gehen, also solltest du wissen, schätze ich, daß sie bald kommen wird, um sich heilen zu lassen.«
    Alvin schüttelte den Kopf.
    »Hab ich das falsch gemacht?«
    »Nein, das hast du richtig gemacht«, sagte Alvin. »Aber ich kann für sie nur das tun, was sie selbst für sich tun will. Sie weiß, daß der Schnaps sie zerfrißt, ihr das Leben stiehlt. Aber ich werde mit ihr sprechen und ihr helfen, wenn ich kann.«
    »Es heißt, sie kann sagen, wann es regnen wird. Wenn sie nüchtern ist.«
    »Woher soll dann jemand wissen, daß sie so ein Talent hat?« fragte Alvin.
    Arthur lachte und lachte einfach nur. »Ich schätze, sie muß wenigstens einmal nüchtern gewesen sein. Und es hat geregnet!«
    Als Arthur Stuart ging, dachte Alvin über die Geschichten nach, die er gehört hatte. Ein Teil von Arthurs Geplauder war einfach nur Klatsch. Es gab heutzutage einige große Klatschmäuler in Hatrack River, und die beiden größten waren, jedenfalls wie Alvin es sah, Vilate Franker, die Alvin kennengelernt hatte und von der er wußte, daß sie inmitten einer Menge lügender Hexagramme lebte, und Goody Trader, die er eigentlich noch nicht kannte, abgesehen von dem, was er während ihres Besuchs von ihr gesehen hatte. Ihr richtiger Name war entweder Chastity oder Charity – Keuschheit oder Nächstenliebe. Vilate behauptete, sie hieße Chastity, aber andere Leute behaupteten, Charity. Sie wurde Goody genannt, kurz für Goodwife, gute Frau, weil sie dreimal verheiratet gewesen war und alle ihre Männer glücklich mit ihr waren, bis sie dann irgendwann abkratzten, jedesmal durch einen Unfall, obwohl Vilate bei Arthur den Eindruck erweckt hatte, es wären gar keine richtigen Unfälle gewesen. Die beiden Frauen lagen ständig miteinander im Krieg, soviel war offensichtlich – die eine konnte kaum eine Bemerkung fallenlassen, ohne daß die andere das Gegenteil redete. Nun hatte keine dieser Ladies den Klatsch erfunden, und es war auch nicht so, daß es in Hatrack River keine Gerüchte und Geschichten gegeben hatte, bevor die beiden hierher gezogen waren. Aber nun besuchte Arthur beide jeden Tag, und beide erzählten ihm irgendwelche Geschichten, bis Alvin ihnen kaum noch Sinn entnehmen konnte und überzeugt war, daß Arthur nicht mal die Hälfte von dem verstand, was man ihm da erzählte.
    Alvin wußte selbst, daß Vilate trügerisch und boshaft war. Aber Goody mochte genauso oder noch schlimmer sein, war aber einfach nur besser darin, so daß Alvin es nicht so deutlich mitbekam. Schwer zu sagen. Und daß Goody Trader gesagt hatte, Alvin brauche nichts – was hatte das nun wieder zu bedeuten?
    Aber hinter all dem Klatsch und Streit war noch etwas, das Alvin ziemlich seltsam vorkam. In Hatrack River gab es zahlreiche Menschen mit mächtigen Talenten. In den meisten Städten lebte vielleicht einer mit einem Talent, das der Beachtung wert war. Die meisten dieser Talente waren jedoch ziemlich schlecht. Ein Talent für Suppe. Ein Talent dafür, Fährten von Tieren aufzunehmen. Zwar nützlich, aber man hätte seinem Daddy deshalb nicht extra einen Brief geschrieben. Eine Menge Leute wußten gar nicht, was für ein Talent sie hatten, da sie es einfach als gegeben hinnahmen und es anderen Leuten gar nicht bemerkenswert vorkam. Aber hier in Hatrack River waren die Talente geradezu erstaunlich. Dieser Schiffskapitän, der einem helfen konnte, den Weg zu finden, selbst wenn man gar nicht wußte, daß man sich verirrt hatte. Und Freda – Alvin hatte es Arthur Stuart gegenüber als läppisch abgetan, doch in der Stadt gab es Leute, die jeden Eid darauf leisteten, daß sie Regen nicht nur vorhersagen, sondern, wenn man sie ausnüchterte, in einer trockenen Jahreszeit auch bringen konnte. Und Melyn, ein walisisches Mädchen, konnte so schön Harfe spielen und dazu singen, daß man dabei alles um sich herum vergaß und einfach mit einem dummen Lächeln auf dem Gesicht dasaß, weil man so glücklich war. Sie kam und spielte für Alvin, und er spürte, wie das Geräusch, das aus ihr floß, in ihn griff, wie eine Ameisenjungfer sich durch die Erde wühlte, in ihn griff, alle Knoten fand, sie auflöste

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