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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Vigor, das Mädchen, das behauptet hatte, er habe verbotene Dinge mit ihm angestellt. Er ertappte sich, wie er an diese verbotenen Dinge dachte, und da war eine Stelle in seinem Herzen, in der er sich wünschte, er hätte sie getan. Hätte er sie getan, hätte er sie natürlich geheiratet. Er hätte sie sogar geheiratet, bevor er diese Dinge getan hätte, weil das richtig und auch Gesetz und er kein Mann war, der einer Frau unrecht tat und kein Gesetz brach, wenn er es verhindern konnte. Aber wenn er sich im Dunkeln etwas vorstellte, gab es kein Gesetz und auch kein Recht und Unrecht, dann erwachte er einfach schwitzend aus einem Traum, in dem das Mädchen keineswegs gelogen hatte, und dann schämte er sich fürchterlich und konnte sich nicht vorstellen, was mit ihm los war, daß er sich tagsüber in eine Frau der Worte und Ideen und der Erfahrung verliebte, nachts aber vor Leidenschaft für ein dummes, verlogenes Mädchen erglühte, das zufällig hübsch war und sich vor einer Weile zu Hause fürchterlich in ihn verliebt hatte.
    Ich bin ein böser Mann, dachte Alvin dann. Böse und untreu. Nicht besser als die treulosen Männer, die Frauen einfach nicht in Ruhe lassen können. Ich bin die Art von Mann, die ich so lange verachtet habe.
    Aber nicht einmal das war wahr, und Alvin wußte es auch. Weil er noch kein Unrecht begangen hatte. Er hatte nichts getan. Hatte es sich nur vorgestellt. Vorgestellt … und genossen. War er damit schon böse? »Ein Mann ist, wie er in seinem Herzen denkt«, so stand es in der Bibel. Alvin wußte das noch ganz genau, weil seine Mutter diesen Spruch so oft zitiert hatte, bis sein Vater zurückfauchte: »Damit willst du doch nur sagen, daß alle Männer Teufel sind!« und Alvin sich fragte, ob es zutraf – ob alle Männer in ihren Herzen böse waren und nur jene davon gut, die sich einfach beherrschen konnten, so daß sie das Gegenteil von dem taten, was ihr Herz verlangte. Aber wenn dem so war, dann war kein Mann gut, nicht einer.
    Und stand nicht auch das in der Heiligen Schrift?
    Kein guter Mann, kein einziger. Ich auch nicht. Ich am allerwenigsten.
    Und so war sein Leben in diesem Gefängnis in Hatrack River. Er hegte immer dunklere Gedanken, ob er würdig war, verliebte sich in zwei Frauen gleichzeitig und war Klatsch in einer Stadt, in der der Unschöpfer mit Bestimmtheit am Werk war und Talente in Hülle und Fülle vorhanden waren.
    Calvin war ziemlich gut mit Stein – damit kam er immer zurecht. Na ja, nicht immer. Er war nicht dazu geboren, die natürliche Schwäche von Stein zu finden. Aber nachdem Alvin Vigor Church verlassen hatte, um bei einem Schmied in die Lehre zu gehen, fing Calvin damit an, das zu versuchen, was er seinen großen Bruder hatte tun sehen oder was andere über dessen Schöpfen erzählten. In jenen Tagen hoffte er noch darauf, Alvin bei seiner Rückkehr zeigen zu können, wie gut er, Calvin, im Schöpfen war, damit sein Bruder zu ihm sagte: »Calvin, Mann, du bist ja fast so gut wie ich!« Was Alvin nie sagte, nicht einmal etwas Ähnliches. Aber es stimmte, zumindest, was Stein betraf. Stein war wirklich einfach, nicht wie Fleisch und Knochen. Calvin konnte seinen Weg in den Stein finden, ihn teilen und verschieben.
    Damit fing er natürlich sofort an, nachdem er in der Bastille gelandet war. Er wußte nicht, warum die Geheimpolizei ihn in diese feuchte und kalte Zelle geworfen hatte. Es war kein Kerker, nicht wie in diesen Geschichten, in denen der Gefangene nur Licht sieht, wenn ein Wärter mit einer Fackel herunterkommt, so daß er blind werden kann, ohne es zu wissen. Es gab genug Licht, und einen Stuhl, auf den man sich setzen, und ein Bett, auf das man sich legen konnte, und einen Nachttopf, der jeden Tag geleert wurde, nachdem er herausgefunden hatte, daß er ihn neben die Tür stellen mußte.
    Aber es war trotzdem noch ein Gefängnis.
    Calvin brauchte etwa fünf Minuten, um herauszufinden, daß er den gesamten Schließmechanismus einfach auflösen konnte, aber ihm fiel gerade noch rechtzeitig ein, daß er noch längst nicht aus der Bastille entkommen war, wenn es ihm gelang, diese Zelle zu verlassen. Er konnte sich nicht unsichtbar machen, und ob nun Schöpfer oder nicht, eine Musketenkugel würde ihn zu Boden werfen oder verstümmeln oder töten wie jeden anderen Menschen auch.
    Er mußte eine andere Möglichkeit zur Flucht finden. Und das hieß, er mußte mitten durch die Wand gehen, mitten durch Stein. Das Problem war nur, er hatte keine

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