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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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ein lindgrünes Bambussprossenmuster, und mit einer Wanduhr mit golddurchbrochenem Rand darüber. Hier haben sie die Spiegel nicht entfernt, ein hoher hängt gegenüber dem Sofa. Hier muß man wissen, wie man aussieht. Hinter einem Rundbogen weiter hinten befinden sich die Reihen der ebenfalls rosafarbenen Toilettenkabinen und Waschbecken, und weitere Spiegel.
    Mehrere Frauen sitzen auf den Sesseln und dem Sofa, sie haben sich die Schuhe ausgezogen und rauchen. Sie starren mich an, als ich hereinkomme. Parfümduft und schaler Rauch und der Geruch von schwitzenden Körpern hängen in der Luft.
    »Bist du neu?« fragt eine von ihnen.
    »Ja«, sage ich und blicke mich vergeblich nach Moira um.
    Die Frauen lächeln nicht. Sie widmen sich wieder dem Rauchen, als sei es eine ernsthafte Tätigkeit. In dem Raum dahinter frischt eine Frau in einem Katzenanzug mit einem Schwanz aus orangefarbenem Kunstpelz ihr Make-up auf. Es ist wie hinter den Kulissen in einem Theater: Schminkfarbe, Rauch, die Materialien der Illusion.
    Ich bleibe zögernd stehen, weiß nicht, was tun. Ich möchte nicht nach Moira fragen, ich weiß nicht, ob das nicht gefährlich ist. Dann geht die Spülung einer Toilette, und Moira kommt aus einer rosa Kabine. Sie kommt wippend auf mich zu; ich warte auf ein Zeichen.
    »Alles in Ordnung«, sagt sie zu mir und zu den anderen Frauen. »Ich kenne sie.« Jetzt lächeln die anderen, und Moira umarmt mich. Meine Arme schieben sich um sie, die Drähte, die ihre Brüste heben, bohren sich in meine Brust. Wir küssen einander, erst auf die eine Wange, dann auf die andere. Dann treten wir einen Schritt zurück.
    »Allmächtiger«, sagt sie. Sie grinst mich an. »Du siehst aus wie die Hure von Babylon.«
    »Soll ich denn nicht so aussehen?« sage ich. »Du siehst aus wie etwas, was die Katze ins Haus geschleppt hat.«
    »Ja«, sagt sie und zieht ihr Vorderteil hoch. »Nicht gerade mein Stil, und außerdem fällt das Ding hier jeden Moment in Fetzen auseinander. Ich wünschte, sie würden jemanden aufgabeln, der noch weiß, wie man solche Sachen näht. Dann könnte ich was halbwegs Anständiges kriegen.«
    »Hast du dir das selbst ausgesucht?« frage ich. Und ich überlege, ob sie es sich vielleicht unter den anderen Sachen herausgesucht hat, weil es weniger schreiend war. Immerhin ist es nur schwarz-weiß.
    »Um Gottes willen, nein«, sagt sie. »Regierungseigentum. Ich nehme an, die dachten, es paßt zu mir.«
    Ich kann immer noch nicht glauben, daß sie es wirklich ist. Ich fasse wieder ihren Arm an. Dann fange ich an zu weinen.
    »Tu das nicht«, sagt sie, »sonst verschmierst du deine Augen. Außerdem ist die Zeit zu kurz. Rutscht mal.« Das sagt sie zu den beiden Frauen auf dem Sofa, in ihrer üblichen energischen, burschikosen, ungestümen Art, und wie üblich hat sie Erfolg damit.
    »Meine Pause ist sowieso zu Ende«, sagt die Frau, die ein babyblaues geschnürtes Mieder und weiße Strümpfe trägt. Sie steht auf und gibt mir die Hand. »Willkommen«, sagt sie.
    Die andere Frau rutscht bereitwillig zur Seite, und Moira und ich setzen uns. Als erstes ziehen wir beide unsere Schuhe aus.
    »Und was zum Teufel machst du hier?« fragt Moira dann. »Nicht daß es nicht toll wäre, dich zu sehen. Aber für dich ist es nicht so toll. Was hast du denn angestellt? Über seinen Schwanz gelacht?«
    Ich schaue an die Decke. »Gibt's hier Wanzen?« frage ich. Ich wische mir vorsichtig mit den Fingerspitzen um die Augen. Schwarze Farbe geht ab.
    »Wahrscheinlich«, sagt Moira. »Zigarette?«
    »Wahnsinnig gern«, sage ich.
    »Hier«, sagt sie zu der Frau neben ihr, »borg mir eine, ja?«
    Die Frau gibt ihr bereitwillig eine. Moira versteht sich immer noch aufs Schnorren. Ich muß darüber lächeln.
    »Andererseits vielleicht auch nicht«, sagt Moira. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend etwas von dem, was wir zu sagen haben, sie interessiert. Sie haben ohnehin schon das meiste gehört, und außerdem kommt hier keine raus, außer im schwarzen Wagen. Aber das weißt du ja sicher, wo du jetzt hier bist.«
    Ich ziehe ihren Kopf zu mir herüber, damit ich ihr ins Ohr flüstern kann. »Ich bin nur vorübergehend hier«, erzähle ich ihr. »Nur heute abend. Ich darf eigentlich gar nicht hier sein. Er hat mich reingeschmuggelt.«
    »Wer?« flüstert sie zurück. »Dieser Arsch, bei dem du bist? Den habe ich schon gehabt, der ist das Letzte.«
    »Er ist mein Kommandant«, sage ich.
    Sie nickt. »Manche von ihnen tun das, es

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