Der Report der Magd
steckt, mit einem langen spitzen Schwanz und silbernen Hörnern – ein Teufels-Kostüm. Jetzt hat sie die Arme unter ihren vom Draht angehobenen Brüsten verschränkt. Sie steht auf dem einen Fuß, dann auf dem anderen, die Füße müssen ihr wehtun; das Rückgrat ist leicht gekrümmt. Sie schaut ohne Interesse und ohne Absichten im Raum umher. Es muß ihr eine vertraute Umgebung sein.
Ich will, daß sie mich anschaut, mich sieht, aber ihre Augen gleiten über mich hinweg, als wäre ich nur eine weitere Palme, ein weiterer Sessel. Sie muß sich unbedingt umdrehen, ich will es so fest, sie muß mich ansehen, bevor einer der Männer zu ihr herüberkommt, bevor sie verschwindet. Die andere Frau, die bei ihr stand, die Blondine in dem kurzen rosa Bettjäckchen mit dem schäbigen Pelzbesatz, ist schon in Besitz genommen worden, hat den Glasaufzug bestiegen und ist emporgefahren, meinen Blicken entschwunden. Moira dreht wieder den Kopf nach allen Seiten, prüft vielleicht ihre Aussichten. Es muß schwer sein, unabgeholt dort zu stehen, wie bei einem High-School-Tanzfest, und sich beglotzen zu lassen. Diesmal bleiben ihre Augen an mir hängen. Sie sieht mich. Sie ist klug genug, keine Reaktion zu zeigen.
Wir starren einander an und achten darauf, daß unsere Gesichter ausdruckslos bleiben, apathisch. Dann macht sie eine kleine Bewegung mit dem Kopf, einen winzigen Ruck nach rechts. Sie nimmt der Frau in Rot die Zigarette aus der Hand, steckt sie sich in den Mund, hält ihre Hand einen Augenblick, alle fünf Finger ausgestreckt, in der Luft. Dann kehrt sie mir den Rücken zu.
Unser altes Signal. Ich habe fünf Minuten Zeit, um zur Damentoilette zu gelangen, die irgendwo rechts von ihr sein muß. Ich sehe mich um: keinerlei Hinweis. Aber ich kann es auch nicht riskieren, aufzustehen und irgendwohin zu gehen, ohne den Kommandanten. Ich kenne mich hier nicht aus, möglicherweise werde ich von irgendeinem Mann aufgefordert.
Eine Minute, zwei. Moira beginnt langsam davonzuschlendern, sich umzusehen. Sie kann nur hoffen, daß ich sie verstanden habe und ihr folgen werde.
Der Kommandant kommt zurück, mit zwei Gläsern. Er lächelt zu mir herunter, stellt die Gläser auf das lange schwarze Tischchen vor dem Sofa und setzt sich. »Macht's dir Spaß?« sagt er. Er möchte, daß es mir Spaß macht. Immerhin ist es etwas Besonderes.
Ich sehe ihn lächelnd an. »Gibt's hier eine Toilette?« frage ich.
»Aber natürlich«, sagt er. Dann nippt er an seinem Drink. Er sagt mir nicht von sich aus, in welcher Richtung.
»Ich muß eben mal gehen.« Ich zähle in meinem Kopf, nicht mehr Minuten, sondern nur noch Sekunden.
»Es ist da drüben.« Er nickt.
»Und wenn mich jemand anhält?« frage ich.
»Zeig einfach nur dein Schildchen vor«, sagt er. »Dann geht alles in Ordnung. Sie wissen dann, daß du in Begleitung bist.«
Ich stehe auf, stöckele durch den Raum. Ich schwanke ein wenig bei dem Brunnen, fast wäre ich gefallen. Es sind die Absätze. Ohne den stützenden Arm des Kommandanten verliere ich die Balance. Mehrere Männer starren mich an, eher überrascht, nehme ich an, als lüstern. Ich komme mir wie eine Idiotin vor. Ich strecke meine linke Hand demonstrativ vor, den Arm im Ellbogen leicht angewinkelt, damit man das Schildchen sieht. Niemand sagt etwas.
Kapitel achtunddreißig
Ich finde den Eingang zur Toilette. Noch steht dort Damen, in verschnörkelter goldener Schrift. Ein Gang führt zu der Tür hin, und eine Frau sitzt an einem Tischchen daneben: sie überwacht, wer hineingeht und wer herauskommt. Es ist eine ältere Frau, sie trägt einen purpurroten Kaftan und hat goldenen Eyeshadow aufgelegt. Trotzdem erkenne ich, daß es eine Tante ist. Der Stachelstock liegt auf dem Tischchen, die Lederschlaufe um ihr Handgelenk. Hier gibt es keine Mätzchen.
»Fünfzehn Minuten«, sagt sie zu mir. Sie gibt mir ein rechteckiges purpurrotes Kärtchen von einem Stapel auf dem Tisch. Es erinnert mich an die Ankleidekabinen in den Kaufhäusern in der Zeit davor. Zu der Frau hinter mir höre ich sie sagen: »Du warst doch eben schon hier.«
»Ich muß nochmal«, sagt die Frau.
»Eine Pause pro Stunde«, sagt die Tante. »Du kennst die Regeln.«
Die Frau fängt an zu protestieren, mit weinerlicher, verzweifelter Stimme. Ich drücke die Tür auf.
An diesen Raum erinnere ich mich. Zuerst kommt eine Ruhezone, in rosa Tönen sanft beleuchtet, mit mehreren bequemen Sesseln und einem Sofa, das mit bedrucktem Stoff bezogen ist,
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