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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Bescheid wissen. Wir würden Heilmittel austauschen und versuchen, einander bei der Aufzählung unserer körperlichen Wehwehchen zu übertreffen; leise würden wir klagen, unsere Stimmen sanft und in Moll und trauervoll wie Tauben in der Dachrinne. Ich weiß, was du meinst, würden wir sagen. Oder, eine seltsame altmodische Redensart, die man zuweilen noch von älteren Menschen hört: Ich höre wohl, woher du kommst, als sei die Stimme selbst eine Reisende, die von einem fernen Ort kommt. Und das wäre sie ja auch, das ist sie ja auch.
    Wie ich solches Gerede früher immer verachtet habe! Jetzt sehne ich mich danach. Zumindest wurde geredet, war es eine Art Austausch.
    Oder wir würden Klatschgeschichten erzählen. Die Marthas wissen manches, sie reden untereinander, verbreiten die inoffiziellen Neuigkeiten von Haus zu Haus. Bestimmt horchen sie, wie ich, an Türen und sehen manches, auch mit abgewandten Augen. Ich habe ihnen manchmal dabei zugehört, Fetzen ihrer privaten Gespräche aufgeschnappt. Totgeboren, ja. Oder: Mit einer Stricknadel erstochen, richtig in den Bauch. Eifersucht muß es gewesen sein, nagende Eifersucht. Oder noch verlockender: Mit Toilettenreiniger hat sie es gemacht. Hat fabelhaft funktioniert. Obwohl man denken sollte, er hätte es schmecken müssen. Muß der betrunken gewesen sein. Nur daß sie ihr leider auf die Schliche gekommen sind.
    Oder ich würde Rita beim Brotbacken helfen, meine Hände in diese weiche, widerstandsfähige Wärme tauchen, die so sehr wie die Wärme eines Körpers ist. Mich hungert danach, etwas zu berühren, etwas anderes als Stoff oder Holz. Mich hungert danach, den Akt des Berührens zu vollziehen.
    Doch selbst wenn ich fragen würde, selbst wenn ich derart die Regeln verletzen würde, Rita würde es nicht zulassen. Zu groß wäre ihre Angst. Die Marthas dürfen nicht mit uns fraternisieren.
    Fraternisieren heißt, sich wie ein Bruder verhalten. Das hat Luke mir gesagt. Er sagte, es gebe kein entsprechendes Wort, das sich wie eine Schwester verhalten bedeutet. Sororisieren müßte es heißen, sagte er. Vom Lateinischen abgeleitet. Es machte ihm Spaß, über solche Einzelheiten Bescheid zu wissen. Die Ableitungen von Wörtern, sonderbare Redewendungen. Ich zog ihn immer damit auf, daß er pedantisch sei.
    Ich nehme die Gutscheine aus Ritas ausgestreckter Hand. Es sind Bilder darauf, Bilder von den Gegenständen, die dafür eingetauscht werden können: zwölf Eier, ein Stück Käse, ein braunes Etwas, das ein Steak sein soll. Ich stecke die Gutscheine in die Reißverschlußtasche in meinem Ärmel, in der ich meinen Paß aufbewahre.
    »Sag ihnen, frisch sollen sie sein, die Eier«, sagt sie. »Nicht wie letztes Mal. Und ein Hähnchen, sag ihnen das! Kein Suppenhuhn. Sag ihnen, für wen es ist, dann drehen sie dir nichts an.«
    »Gut«, sage ich. Ich lächle nicht. Warum sie zur Freundschaft verführen?
     

Kapitel drei
    Ich gehe durch die Hintertür hinaus in den Garten, der groß und gepflegt ist: ein Rasen in der Mitte, eine Trauerweide, Weidenkätzchen; ringsherum an den Rändern die Blumenrabatten, wo die Narzissen jetzt verblassen und die Tulpen ihre Kelche öffnen, Farbe verschütten. Die Tulpen sind rot, ein dunkleres Karmesinrot zum Stengel hin, als hätten sie dort Schnittwunden, die eben zu heilen beginnen.
    Der Garten ist die Domäne der Frau des Kommandanten. Wenn ich durch mein bruchsicheres Fenster hinausschaue, sehe ich sie dort oft, die Knie auf einem Kissen, einen blauen Schleier über ihrem breitkrempigen Gartenhut, einen Korb mit Gartenschere und Bast zum Anbinden der Blumen neben sich. Ein Wächter, der dem Kommandanten zugeteilt ist, besorgt die schwere Arbeit des Umgrabens. Die Frau des Kommandanten leitet ihn an, sie zeigt mit dem Stock. Viele der Kommandantenfrauen haben solche Gärten – es ist etwas, das sie in Ordnung und instand halten, und wofür sie sorgen können.
    Ich hatte auch einmal einen Garten. Ich erinnere mich noch an den Geruch der umgegrabenen Erde, an die prallen Formen der Blumenzwiebeln in den Händen, die Fülle, an das trockene Rascheln von Samen zwischen den Fingern. Die Zeit verging mir darüber viel schneller. Manchmal läßt sich die Frau des Kommandanten einen Stuhl herausbringen und sitzt einfach nur darauf, in ihrem Garten. Aus der Entfernung sieht es friedlich aus.
    Jetzt ist sie nicht da, und ich überlege, wo sie ist: Ich schätze es nicht, wenn ich der Frau des Kommandanten unerwartet begegne. Vielleicht ist

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