Der Retter von Dent-All
Provisorium nicht.
Eine halbe Stunde verging, ehe er den Heißluftbläser nahm, die Zahnbeinsplitter aus der Höhlung entfernte, das Loch mit Alkohol ausspritzte und es anschließend wieder trocknete.
»Ich werde das Loch jetzt mit einer Wachsfüllung schließen«, klärte Dillingham die Auster auf. »Sie dürfen nur nicht zu kräftig kauen, dann wird die Füllung bestimmt bis zum Morgen halten.« Wahrscheinlich mußte sie noch viel länger halten, denn die Beschwerden hatten sicher schon begonnen, als die alte Füllung sich gelockert hatte. Der Patient war erst zur Behandlung gekommen, als die Schmerzen unerträglich geworden waren. Jetzt tat der Zahn nicht mehr weh, und die Auster würde erst wieder einen Zahnarzt aufsuchen, wenn die Füllung erneut zu Bruch ging. Offenbar war die schlechte Angewohnheit, sich um die Behandlung zu drücken solange es ging, nicht nur auf die Menschheit beschränkt.
»Nein«, knurrte die Auster eigensinnig, »Wachs schmeckt schlecht.«
»Das ist doch nur Pseudowachs — steril und für die meisten Lebensformen geschmacklos! Außerdem soll die Füllung ja nur ein paar Stunden im Mund bleiben. Sobald Sie sich in der Klinik zur Behandlung melden...« »Schmeckt schlecht!« wiederholte der Patient störrisch und klappte die Schalen zu.
Dillingham dachte wütend daran, wie das Übersetzungsgerät diese Austerwesen charakterisiert hatte: »Außerordentlich intelligente, emotional ausgeglichene Lebensform.« Du lieber Himmel! Er preßte die Zähne zusammen und verlangte vom Robotapotheker ein Amalgam.
»Scheußliche Farbe«, protestierte die Auster.
»Aber das Amalgam ist doch nur deshalb rot pigmentiert, damit man erkennt, daß es sich um eine provisorische Füllung handelt! Die Farbe entstellt Sie nicht. Die Füllung muß rot sein, damit in der Universitätsklinik keine Mißverständnisse aufkommen.«
Die Auster schloß auch den letzten Spalt in ihrer Schale und klemmte Dillingham fast die Fingerspitzen ab. »Scheußliche Farbe«, wiederholte sie dumpf.
Hier handelte es sich nicht nur um einen launischen Patienten. Wahrscheinlich dachte der Bursche gar nicht daran, in die Klinik zu gehen, um sich nachbehandeln zu lassen. Er wollte sich eine echte Plombe erschwindeln.
»Was für eine Farbe würde Ihnen denn passen?«
»Gold.« Die Schale klaffte wieder einen Spalt auf.
Natürlich, immer wieder das gleiche Lied. Aber es war immer noch besser, nachzugeben, als diesen Patienten auf den richtigen Instanzenweg zu zwingen. Er konnte ja morgen den Fall den Universitätsbehörden melden, die dann die Auster zwangsweise vorführen ließen, um Dillinghams Arbeit sachkundig zu prüfen.
Diesmal spuckte der Robotapotheker Goldfolie aus. Dillingham legte sie in den Miniatur-Schmelzofen und wartete, bis das Gold weich wurde.
»Sie verbrennen ja das kostbare Gold!« protestierte die Auster.
»Keineswegs. Ich erhitze das Gold nur, damit es besser haftet. Sehen Sie, ich ...«
»Heiß«, unterbrach ihn die Auster. Dillingham hätte ja auch ein Metall verwenden können, das nicht so gut haftet. Aber das wäre ein Nachteil für den Patienten gewe sen. Dillingham geizte nie mit seiner Zeit, wenn die Behandlung darunter litt.
Endlich hatte er so viel Gold aufbereitet, daß er den Zahn damit füllen konnte. Er trug die erste Metallschicht auf und wollte sie gerade feststampfen, als die Tür des Fahrstuhls aufflog.
Ein zweites Austernwesen stürzte in den Behandlungsraum und schwang ein durchsichtiges Rohr. »Schuft!« rief das Wesen, »du vergreifst dich an meinem Großvater?«
Dillingham rang nach Fassung. »Ihr Großvater? Ich lindere seine Schmerzen, damit...«
»Pah, Schmerzen lindern! Du marterst ihn, meinen armen, lieben, gequälten Großvater, du Scheusall«
»Aber ich behandle doch nur seinen hohlen Zahn!«
Der Austernenkel richtete das Rohr auf Dillingham. Dillingham ahnte, daß das Rohr eine gefährliche galaktische Waffe war. »Laß meinen Großvater in Ruhe! Ich habe genau beobachtet, wie du einen spitzen Nagel in sein ehrwürdiges Gebiß hineingeschlagen hast! Du bist ein Sadist! Ich nehme meinen Großvater sofort mit und bringe ihn nach Hause!«
Dillingham wich keinen Zentimeter zur Seite — aus Klugheit, nicht aus tollkühnem Übermut. Und aus moralischer Überzeugung. »Ich muß erst die Behandlung abschließen. Ich kann den Patienten nicht mit einem aufgebohrten Zahn entlassen.«
»Bestie! Pervertiertes Wesen! Humanoide!« kreischt die junge Auster. »Ich werde dich in
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