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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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dem
    Glas.
    »Ich glaube, es hängt von dir ab, wann die Amnestie in die Nationalversammlung kommt«, sagte sie dann.
    »Wieso?«
    »Sie wollen abwarten, ob du ihm eine Vorladung schickst -oder nicht.« Sie nahm einen Schluck. »Machst du das eigentlich, oder hast du dich noch nicht entschieden?«
    Jacques sah in den Raum, hinüber zur anderen Seite, wo der dicke Claude Marsouin, Fraktionsvorsitzender der LER in der Nationalversammlung, an einem runden Tisch saß, umgeben von dem Kommentator von RTL und den Chefredakteuren von Europe 1 und M 6. Marsouin war ihm immer schon unangenehm, nicht nur, weil er zu den Geldempfängern gehörte, die Jacques nicht belangen konnte, sondern vor allem, weil er seinen fetten Schmerbauch so aus der Hose quellen ließ, dass die Hemdknöpfe zu platzen schienen. Die wüssten sicher auch gern eine Antwort auf die Frage, die Margaux ihm gerade gestellt hatte.
    »Mal sehen, wohin die Lust mich treibt.«
    »Du kannst das doch nicht ewig vor dir herschieben. Und soll die Entscheidung etwa nur von deiner jeweiligen Laune abhängen?«
    Gerade das fürchtete Jacques. Eine plötzliche Entscheidung aus einer Laune heraus. Und das gegenüber dem Staatspräsidenten!
    »Ich muss mir mal die Zeit nehmen, alle diesen Fall betreffenden Texte im Verfahrensrecht zu lesen. Aber beruhige dich, es dauert nicht mehr lange.«
    Als sie gingen, winkte Margaux dem Senator aus dem Burgund noch einmal zu, während der eine galante Bewegung andeutete, die, wer wollte, verstehen konnte als einen Gruß seiner Lippen, den er zu ihr pustete.
    Im Auto war Jacques still gewesen. Als sie wissen wollte, was sei, antwortete er nur, er sei müde. Wegen des Zeitunterschieds. Zu müde? Im Badezimmer fragte er sie, ob sie vielleicht mit de Mangeville näher bekannt sei? Wieso? Na ja, hat er dir nicht einen Abschiedskuss zugeworfen? Da lachte sie, freute sich, dass der meist so nüchterne Jacques anscheinend eifersüchtig war, umarmte ihn, lachte noch im Bett und zeigte dann zu seiner Überraschung ein Verlangen wie damals, als sie frisch verliebt waren.
Abhören
    Paris, der Stress, das war sein Leben. Aber Margaux vielleicht doch nicht. Am Freitag früh hatte Jacques ausgeschlafen und beschlossen, seine Zeitung im Bistro »l'Auvergnat« zu lesen -bei einem Cafe au lait und einem oder heute vielleicht zwei der köstlichen Buttercroissants. Er war erst um elf im Polizeilabor verabredet. Bevor er sein Appartement verließ, rief er gut gelaunt bei Margaux an, um sich mit ihr fürs Wochenende zu verabreden. Einen halben Tag, vielleicht Samstagvormittag, wollte er an der Vorladung arbeiten, aber mehr Zeit würde ihn das nicht kosten. Vielleicht könnten sie am Samstagnachmittag in die Normandie fahren, nach Honfleur, wo es zu dieser Jahreszeit noch ruhig war. Sie hatten letzten Herbst dort ein schönes, kleines Hotel am Hafen entdeckt, mit sehr breiten Betten und hervorragenden amerikanischen Matratzen. Doch Margaux war schon im Büro und antwortete ihm sehr geschäftig, als er ihr seine Vorstellungen von einem kleinen Ausflug erläuterte:»Das passt leider nicht in meine Pläne. Ich muss heute am späten Nachmittag nämlich noch den TGV nach Dijon nehmen, meine Reisetasche habe ich schon bei mir. Ich bin in meiner Sache endlich ein Stück weitergekommen. Vielleicht komme ich Sonntag so rechtzeitig zurück, dass wir uns dann noch sehen können.«
    Jacques hätte gern die Frage gestellt, ob sie vielleicht auch mit Senator de Mangeville verabredet sei, der ihr im »Chez Edgar« so freundlich seine Hilfe angeboten hatte. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass der überkorrekte Senator, verheiratet mit Marie-Ciaire und Vater zweier Kinder, sich auf ein Spielchen mit einer Pariser Journalistin einlassen würde, auch nicht mit Margaux.
    Als er nicht antwortete, fragte sie: »Bist du noch dran?«
    »Doch, doch. O.K., meld' dich, wenn du zurück bist.« »Ich umarm' dich, ich drück' dich.«
    Er hasste diese Floskel. Ich umarme dich, das akzeptierte er als einen gängigen Abschiedsgruß, wenn man sich mochte; aber - ich drück dich -, das klang für Jacques wie Plüsch und Schwulst, besonders in diesem Augenblick. Ohne Gruß drückte er das Gespräch mit der roten Taste am Hörer weg und holte sich mit der grünen gleich wieder eine Leitung. Er hätte es nie zugegeben, aber er war eifersüchtig und wollte verhindern, dass sie ihn zurückriefe.
    Jacques drückte die Kurzwahltaste für sein Büro, und als Martine sich meldete,

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