Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
Vom Netzwerk:
fragte er: »Was hast du am Wochenende vor?«
    »Worum geht's denn?«
    »Zwei Dinge. Ich komme heute wohl kaum ins Büro, bin im Labor, bei der Polizei und so weiter, will aber morgen noch einmal das Thema Vorladung durcharbeiten. Kannst du schauen, ob die Unterlagen und die Bücher noch da sind, und alles in rein komm en?«
    »Klar. Und zweitens?«
    »Könntest du am Sonntag mal für ein, zwei Stunden reinkommen?«
    »Um eine Vorladung zu schreiben? Klar. Um wie viel Uhr?«
    »Können wir uns zusammentelefonieren?«
    »Können wir machen. Aber bitte nicht zu früh. Oder?«
    »Nein, nein - ich gehe ja auch erst mal zur Beichte! Oh, und das dauert lange. Gegen Mittag, früher Nachmittag. Oder musst du an den Mittagstisch bei Muttern?«
    »Das wäre ein bisschen weit. Die ist im Paradies.«
    »Oh, Pardon! Wann ist das denn passiert?«
    »Nein«, lachte Martine. »Ich meine immer noch das Paradies
    auf Erden: Die verbringt den Winter auf Tahiti Billigangebot vom Club Med.«
    »Anhängerin der Gauguin-Sekte, was?«
    »Eher Anbeterin von Sonne und Wärme. Also, bis Sonntag dann. Wenn was ist, ruf mich an. Zur Not auf dem Handy.«
    »Salut! - Oh! Fast hätte ich es vergessen. Bestell für Montag früh einen unserer besten Gerichtsvollzieher!«
    »Wird erledigt. Bis bald.«
    Das Handy verschwand wie immer in der rechten Brusttasche seiner Jacke, dann zog er seinen Mantel an. Als er aus der Wohnungstür gehen wollte, fiel ihm der Stapel Post auf, den er seit seiner Rückkehr aus Martinique nicht beachtet hatte, im Gegenteil, die Post vom Donnerstag hatte er auch noch darauf gepackt. Es war zu viel, um es in die Manteltasche zu stecken. So hielt er den Haufen in der Hand, als er unten an der Steintreppe vor dem großen Holztor von der Concierge abgefangen wurde, die ihm noch mehr Briefe gab. Da erinnerte er sich an die Worte von Gaston, dem Wirt vom »l'Auvergnat«.
    Er blieb stehen und fragte: »Haben Sie noch den Zettel von John-Kalena, den Ihnen Gaston für mich gegeben hat?«
    »Den haben Sie. Der muss bei der Post gewesen sein, die Sie nach Ihrem Urlaub von mir bekommen haben.«
    »Ach so, dann wird er hier dabei sein. Danke. Ich habe das alles noch nicht gelesen.«
    Am Kiosk vor dem Bistro kaufte er sich die »Liberation«, setzte sich an einen kleinen Tisch am Fenster und bestellte sich einen Cafe au lait. Auf Croissants hatte er keinen Appetit. Als er die Post sortierte, hätte er die Nachricht von John-Kalena fast wieder übersehen, weil er auf den Werbezettel für einen Pizza-Service nicht gleich geachtet hatte. Der ganze Text bestand aus großen Druckbuchstaben.
    RICHTER, HEUTE NACHT HABEN ZWEI MÄNNER IN
    DEINEM KELLER ETWAS AM TELEFONKASTEN ANGEBRACHT. PASS AUF. SIE HABEN MIR DEN KOPF EINSCHLAGEN WOLLEN. J/K
    Schweißperlen liefen über sein Gesicht, mit einem Schlag war sein Hemd feucht von der Hitze, die der Zorn in ihm aufwallen ließ. Merde!, fluchte er leise vor sich hin, das waren die Kerle von den Renseignements Generaux. Und wenn sie ihn abhörten, dann wissen sie jetzt auch über die Vorladung Bescheid.
    Er knurrte vor sich hin, so dass der Patron fragte: »Geht's dir nicht gut?«
    »Vielleicht finde ich 'raus, wer John-Kalena umgebracht hat. Er hat mir, ohne es zu wissen, einen Hinweis auf seinem Zettel gegeben.«
    »Wer? Einbrecher? Dealer?«
    Jacques zog die Augenbrauen hoch, wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab, seufzte und sagte: »Schlimmer - viel schlimmer.«
    Die Zeiger der großen Uhr über dem Tresen standen auf kurz nach halb elf. Ein bisschen zu spät, sagte sich Jacques, um noch zu Hause nachzuschauen. Zwanzig Minuten brauchte er schon bis zum Palais de la Justice auf der Ile de la Cite, wo er mit Kommissar Jean Mahon verabredet war, um ihm den Bericht über die Recherchen in Martinique zu bringen und darüber zu reden, welche Ermittlungen der Polizei ihm weiter helfen könnten.
    *
    Die Tür zum Büro von Kommissar Jean Mahon stand offen. Jacques sah hinein.
    Mahon rief: »Hallo, guten Tag, komm rein, mein Lieber!«,
    sprang hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch wie ein Gummimännchen auf, packte Jacques mit beiden Händen und fuhr fort: »Na, bringen wir die Sache bald zu Ende?«
    »Einen Mord haben wir schon. Hoffen wir, dass die Aufklärung nicht im Selbstmord endet.«
    »Du sprichst in Rätseln. Setz dich. Kaffee?«
    »Nein, danke.«
    Jacques schob den hölzernen Stuhl mit Armlehnen zurecht und ließ sich auf den Sitz fallen.
    Kommissar Mahon war einen Kopf kleiner

Weitere Kostenlose Bücher