Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Jacques plante also, so rechtzeitig einzutreffen, dass noch nicht alle Tische besetzt sein würden. Hoffentlich war Margaux bereit, aber da war er sich sicher. Sie pflegte ihre Natürlichkeit und trödelte nicht wie Jacqueline eine Ewigkeit vor dem Schminktisch herum.
*
Amadee, das war die Karibik, die Ferne, die fremde Frau, die er gern in den Armen gehalten hatte. Aber Margaux, so fühlte Jacques in diesem Augenblick, das war Paris, der Stress, sein Leben. Als er erschöpft in dem engen Bett neben ihr lag und versuchte einzuschlafen, resümierte er den Abend. Er hatte gut angefangen und gut aufgehört, sehr gut. Aber zwischendrin hatte es ein paar Augenblicke gegeben, in denen er nicht gewusst hatte, ob sie jetzt ein paar Klippen umschiffte oder er. Auf dem Weg zu Margaux hatte er in der Rue de Sevres einen Blumenladen entdeckt, der noch geöffnet war, hatte kurz gezögert, war dann aus dem Wagen gesprungen, den er in der zweiten Reihe parkte, und hatte gelbrote Rosen mit vollen, großen Köpfen gekauft. Wahrscheinlich wollte er sein schlechtes Gewissen übertünchen. Wegen Amadee.
Als er Margaux in die Arme genommen hatte und ihr einen Kuss geben wollte, hatte sie den Mund leicht zur Seite gedreht. -»Achtung, Lippenstift!«, hatte sie gesagt und ihn angestrahlt.
Sie ist einfach klasse, diese Frau, dachte er. Der Friseur scheint heute den rotblonden Haaren einen besonderen Dreh mit seiner Bürste gegeben zu haben. Den Rosenstrauß hatte sie als Liebesbeweis entgegengenommen und war so zärtlich gewesen wie lange nicht mehr.
Eine viertel Stunde hatten sie einen Parkplatz gesucht, und es wäre fast zum Streit gekommen, weil Margaux ihm jede unmögliche Stelle vorschlug, er aber darauf beharrte, das Auto wenigstens einigermaßen erlaubt abzustellen. Sie hörte nicht auf, darauf hinzuweisen, dass doch die Amnestie bevorstehe, aber schon allein die Erwähnung dieses Wortes verursachte bei ihm Unbehagen. Außerdem war sein Dienstwagen zu vielen bekannt, so dass er vielleicht keinen Ärger, aber doch viel Häme ernten würde. Schließlich erwischten sie einen Platz, als ein Wagen in der Avenue Georges V mit Tempo aus einer Parklücke fuhr.
Dann hatte Edgar sie im Restaurant galant in Empfang
genommen und so getan, als hätte er nur auf sie beide gewartet. Er halft Margaux aus dem Mantel und ging voraus an einen Tisch an der Wand, von dem aus sie das ganze Lokal übersehen konnten. Edgar war eben ein Profi und wusste, weshalb viele seiner Gäste kamen. Patrick, Edgars Chefkellner, brachte mit der Menükarte wie selbstverständlich zwei Kelche Veuve Cliquot und goss schon wieder nach, als sie erst halb geleert waren. Das wirkte großzügig, war aber billiger, als ein ganz leeres Glas nachzufüllen.
Jacques erzählte von LaBrousse, von Loulou, den er hinter der lancierten Pressemeldung gegen ihn vermutete, von Gilles, der bei seiner Ankunft schon beerdigt worden war, von dessen Leiden in Vietnam und von Kadijas Schicksal in Algerien. Amadee kam in diesem Bericht nicht vor. Mehrmals wurde er von Gästen unterbrochen, die ihn oder Margaux grüßten.
Jean Louis, der betagte Chefreporter vom »Nouvel Observateur«, blieb kurz stehen, nickte dem Richter zu und murmelte zu Margaux: »Hab' gehört, du bist an 'ner scharfen Sache dran. Kommst du weiter? Wenn nicht, ruf mich an, vielleicht kann ich dir helfen.«
Als er weitergegangen war, sagte Jacques nur: »Der alte Weiberheld. Gott sei Dank kann er mich nicht ausstehen, sonst hätte er sich auch noch zu uns gesetzt und auf unsere Kosten seinen Whisky getrunken.«
»Ach, lass mal,« sagte Margaux, »der ist doch ganz nett und harmlos.«
Jacques knurrte nur, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und fragte Margaux nach ihrer Recherche.
»Das kann ich dir noch nicht erzählen«, wiegelte sie ab, nahm einen Schluck und zupfte an einer Haarsträhne hinter ihrem Ohr.
»Warum nicht? Es scheint sich doch schon rumgesprochen zu haben.«
»Weil du schon ermitteln würdest, bevor ich auch nur den
ersten Artikel darüber geschrieben habe.«
»Und wenn ich dir verspreche, nur als Privatmann zuzuhören?«
»Das kannst du gar nicht.«
»Du schreibst ja auch nicht - hoffentlich nicht - über die Ermittlungen, von denen ich dir gerade erzählt habe!«
»Natürlich nicht.«
»Na also!«
»Du bist aber anders.«
Ehe sie dieses »anders« weiter erklären musste, kam ihr Senator Louis de Mangeville zu Hilfe, der mit zwei Gästen den Raum betrat, sich aber kurz von ihnen
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