Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Geheimdiensten noch hast, dann wirst du vielleicht dort mehr rausfinden über seine Zeit an der Elfenbeinküste. Ich glaube, der ist nicht ganz koscher. Ich schick dir meinen Bericht, sobald er fertig ist. Wahrscheinlich morgen Mittag.«
Schließlich diktierte er seinen Bericht. Martine würde das Band morgen abschreiben lassen. Jacques war völlig in seine Arbeit versunken, beschäftigt mit den Ereignissen auf Martinique, mit LaBrousse, mit Cesaire und natürlich mit der schönen Amadee. Er sah ihre fröhlichen Augen, fühlte die zarte, warme Haut und meinte ihren süßlichen Geruch immer noch in der Nase zu spüren. Mit geschlossenem Mund atmete er tief ein. Da klingelte sein Handy. Margaux. Er nahm ab, flüsterte, bevor sie auch nur einen Ton loswerden konnte: »Ruf gleich zurück, bin noch in einer Besprechung.«
Dann seufzte er laut und schaute auf die Uhr. Zwölf Minuten vor sieben. Draußen war es schon dunkel. Plötzlich nahm er wieder die Geräusche der Straße war, Autos, Hupen, Bremsen, während er aus dem Gerichtsgebäude keinen Laut mehr hörte. Er war mit dem Bericht noch lange nicht fertig, würde sicher noch eine Stunde brauchen, vielleicht sogar anderthalb oder zwei. Könnte er Margaux so lange warten lassen? Schließlich hatte er ihr versprochen, sie auszuführen. Sie war zwar eingeschnappt gewesen, aber ihr Anruf deutete darauf hin, dass sie mit ihm rechnete. Und sollte er später am Abend vielleicht allein zu Hause sitzen? Dazu hatte er nun gar keine Lust. Den Bericht würde er morgen auch noch rechtzeitig vor dem Termin mit der Gerichtspräsidentin fertig haben. Er wählte Margauxs
Handynummer:
»Tut mir Leid für eben, mon choux. Ich müsste eigentlich noch an meinem Bericht arbeiten, aber das wird dann zu spät. Bleibt es bei uns beiden heute Abend?«
Margaux signalisierte ihre Verstimmung mit einer Kunstpause, aber er hatte die Furcht vor dem Schweigen verloren und wartete geduldig, bis sie antwortete.
»Was hast du dir denn ausgedacht?«
Er wusste, wie er sie angeln konnte. Bei Jacqueline hätte es gereicht, ein mondänes Lokal zu nennen, etwa das »Lipp« gegenüber dem »Cafe de Flore«, und schon wäre sie geschmolzen. Gesehen zu werden - und selber zu gaffen -stimmte sie sofort friedlich. Aber auch Margaux hatte eine weiche Stelle.
Also schlug Jacques vor: »Was hältst du davon, wenn ich dich abhole, wir im >Chez Edgar< essen und ich dann heute Nacht bei dir bleibe?«
»Chez Edgar« in der Rue Marbeuf, zwischen Champs Elysees und Avenue Georges V, galt als die erste Adresse für Rendezvous zwischen Politikern und Journalisten. Hier tafelten Minister, Abgeordnete, Senatoren mit den wichtigsten Kommentatoren aus den Rundfunkanstalten und mit politischen Journalisten der Presse, die wiederum stolz waren, mit den Vertretern der Macht gesehen zu werden, und dafür die Rechnung übernahmen. Wer hier gesehen wurde, war »in«.
»Wann kommst du?«
»Bist du schon zu Hause?«
»Ja, gerade angekommen. Ich muss jetzt aber erst einmal unter die Dusche, und dann brauche ich mindestens eine halbe Stunde.«
»Dann bin ich um halb neun bei dir.« »Ich umarme dich!«
Jacques rief im Restaurant »Chez Edgar« an, es dauerte lange, bis sich eine unfreundliche Stimme meldete und sofort sagte, alles sei ausgebucht - »tout complet«.
»Geben Sie mir Edgar!« Jacques gab sich energisch und laut.
Er wartete einige Minuten, bis der Patron selbst den Hörer ergriff, sich freundlich meldete und Jacques eine höfliche Abfuhr erteilte. Doch Jacques gab sich nicht geschlagen. Er musste Margaux heute Abend dieses Lokal bieten.
»Edgar, heute geht es nicht anders! Ein Tisch für zwei ab halb neun. Für den kleinen Richter Ricou.«
Er wiederholte bewusst seinen Namen, den Edgar vielleicht überhört hatte.
Der Wirt flötete in den Hörer: »Monsieur le juge, für Sie geben wir uns doch alle Mühe. Wenn auch so manch ein Politiker sich wahrscheinlich nicht gern mit Ihnen zeigt. Aber heute weiß ich nicht, wohin mit den Gästen.«
Jacques ließ sich nicht abweisen: »Edgar. Ich komme mit Margaux, und bis dahin wird Ihnen gewiss irgend etwas einfallen. Bis später.«
Er hängte ein. Das war ein Vabanquespiel, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Edgar vor seinen Gästen eine attraktive Journalistin wie Margaux und den regelmäßig in den Schlagzeilen auftauchenden Richter Jacques Ricou wieder hinauskomplimentieren würde, nur weil kein Tisch frei war. Das wäre doch für alle drei peinlich.
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