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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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bleibt die Tat ein ganz normales Verbrechen. Sehen wir mal die Sache abstrakt: Krönen kannst du den Abschluss nur mit dem Nachweis, dass ein Parteichef die Verantwortung für die
    Millionenschiebereien zu tragen hat; Millionenschiebereien, die zum Mord geführt haben.«
    »Das klingt so einfach«, sagte Jacques. »Aber es ist ein Vabanque-Spiel, denn erstens sehe ich immer noch keine Spur zum Mörder. Gilles Maurel können wir vergessen, glaube ich -«
    »Und zweitens weißt du nicht«, sagte ihm Mahon, »ob du den Mut haben wirst, den Präsidenten vorzuladen.«
    »Dummerweise habe ich vorhin am Telefon mit Martine darüber gesprochen, dass ch die Vorladung am Wochenende schreiben und am Montag rausgeben will.«
    »Vom Telefon zu Hause?«
    »Ja.«
    »Das wahrscheinlich abgehört wird?«
    »Ja, aber das wusste ich in dem Moment ja noch nicht.«
    »Dann würde ich an deiner Stelle jetzt ziemlich vorsichtig sein. Es könnte sein, dass du Recht hattest mit der Anspielung auf Boulins Pfütze.«
    Kommissar Mahon nickte mehrmals kurz und nachdenklich und stützte den Kopf in seine linke Hand. Beide schwiegen lange. Aber Jacques gingen andere Gedanken durch den Kopf als dem Kommissar. Immer wieder zögerte er, er wollte Mahon nicht mit seinem Privatleben belästigen, doch schließlich überwogen die Gefühle, und er versuchte möglichst unbeteiligt zu wirken, als er sagte: »Du könntest mir einen riesigen Gefallen tun. Frag mich nicht, warum, aber es wäre mir sehr wichtig zu wissen, mit wem sich Senator de Mangeville an diesem Wochenende trifft.«
    »Ich kenne zwar viele Senatoren, aber de Mangeville? Da musst du mir helfen.«
    »Dijon. Gleichzeitig Präsident des Generalrats von der Cöte d'Or. Aber mach es unauffällig, wenn's geht.« Kommissar Mahon nahm das Kinn zwischen zwei Finger und
    rieb seine grauen, kaum sichtbaren Bartstoppeln, was einen rauen Ton ergab. Er überlegte.
    »Das muss ich über Umwege anleiern«, sagte er schließlich. »Man darf die Anfrage nicht auf mich zurückführen. Ich weiß schon, wen ich darum bitten werde, ich werde den Agenten der Reinseignements Generaux vor Ort anspitzen. Gib mir zehn vielzusehen.M
    Es dauerte dann doch eine halbe Stunde. Jacques stand ungeduldig auf und schaute aus dem Fenster, doch es war nicht viel zu sehen. Mahons Büro lag zu einem Innenhof des Quai des Orfevres, wo ein blauer Kastenwagen der Police judiciaire abgestellt war, einer von den Transportern, in denen Angeklagte aus dem Gefängnis zum Prozess gebracht werden. Er ärgerte sich jetzt schon darüber, dass er Margaux auf die Schliche kommen wollte. In Wahrheit war sie doch schon so weit von ihm entfernt, viel weiter als eine Frau namens Amadee aus der Karibik. Er sah sie vor sich, sah den Blick von der Veranda der Habitation Alize über die Weiden, die Plantage, den Urwald bis hinunter zum Atlantik. Er versuchte sich an das Gefühl ihrer Haut zu erinnern, an den besonderen Duft. Unwillkürlich schob sich das Bild des großen schwarzen Vogels in seinem Gedächtnis nach vorn, jenes großartige Bild, das Gilles vor seinem Tod gemalt hatte. Hatte er ihn vorher gesehen? Quatsch! Als bedingungsloser Verfechter der Aufklärung ging Jacques davon aus, alle Erkenntnis weltlichen Geschehens beruhe auf Vernunft und Wissen. Gilles konnte nicht ahnen, dass sein Pferd scheuen und er zu Tode stürzen würde.
    Kommissar Mahon schlug vor, seinen Dienstwagen mit Blaulicht zu nehmen. Ein Mannschaftswagen mit acht Polizisten und das Spezialfahrzeug der Spurensicherung folgten.
    »Lass uns viel Lärm machen«, schlug er vor. Und auf der Fahrt zu Jacques' Wohnung hörte Mahon nicht auf, den
    Polizeifunk zu benutzen. Er rief die Zentrale an, um bei France Telecom einen Techniker zu bestellen, der für Hausanschlüsse zuständig ist und sofort zur Wohnung von Richter Jacques Ricou kommen konnte. Und damit auch alle mitbekamen, um wen es ging, wiederholte er: »Ihr wisst doch, der berühmte Richter, der hinter den Parteifinanzen her ist. Mit dessen Telefon ist was nicht in Ordnung.«
    Der Kommissar lachte. »Lärm muss sein«, sagte er. »Es dauert jetzt nicht mehr lange, und ein paar Leuten bei den Renseignements Generaux wird es fürchterlich heiß. Sie schaffen es vor uns nämlich nicht mehr bis in deinen Keller. Und wenn wir erst mal dort sind, können sie nichts machen, als den Kopf in den Sand zu stecken. Und um die Presse brauchen wir uns auch nicht zu kümmern, die trifft gleich nach uns ein. Was meinst du, zehn

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