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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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besitze nun einmal das nötige menschliche Format dazu. Als jahrelanger Gesandter Argentiniens in China genieße er das Vertrauen der fremden Macht und als ehemaliger Verwaltungspräsident des Blechtrusts jenes der Industriellen. Außerdem wohne er in Lamboing.
    »Wie meinst du das, Oskar?«
    Von Schwendi lächelte spöttisch: »Hast du den Namen Lamboing schon vor der Ermordung
    Schmieds gehört?«
    »Nein.«
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    »Eben darum«, stellte der Nationalrat fest.
    »Weil niemand Lamboing kennt. Wir brauchten einen unbekannten Ort für unsere Zusammenkünfte. Du kannst also Gastmann in Ruhe lassen.
    Daß er es nicht schätzt, mit der Polizei in Berührung zu kommen, mußt du begreifen; daß er eure Verhöre, eure Schnüffeleien, eure ewige Fragerei nicht liebt, ebenfalls; das geht bei unseren Lug-inbühl und von Gunten, wenn sie wieder einmal etwas auf dem Kerbholz haben, aber nicht bei einem Mann, der es einst ablehnte, in die Französische Akademie gewählt zu werden. Auch hat sich deine Berner Polizei ja nun wirklich ungeschickt benommen, man erschießt nun einmal keinen Hund, wenn Bach gespielt wird. Nicht daß Gastmann beleidigt ist, es ist ihm vielmehr alles gleichgültig, deine Polizei kann ihm das Haus zusam-menschießen, er verzieht keine Miene; aber es hat keinen Sinn mehr, Gastmann zu belästigen, da doch hinter dem Mord Mächte stehen, die weder mit unseren braven Schweizer Industriellen noch mit Gastmann etwas zu tun haben.«
    Der Untersuchungsrichter ging vor dem Fenster auf und ab. »Wir werden nun unsere Nachforschungen besonders dem Leben Schmieds zuwenden müssen«, erklärte er. »Hinsichtlich der fremden Macht werden wir den Bundesanwalt benachrichtigen. Wieweit er den Fall übernehmen wird, kann ich noch nicht sagen, doch wird er uns mit 68
    der Hauptarbeit betrauen. Deiner Forderung, Gastmann zu verschonen, will ich nachkommen; wir sehen selbstverständlich auch von einer Haus-durchsuchung ab. Wird es dennoch nötig sein, ihn zu sprechen, bitte ich dich, mich mit ihm zu-sammenzubringen und bei unserer Besprechung anwesend zu sein. So kann ich das Formelle unge-zwungen mit Gastmann erledigen. Es geht ja in diesem Fall nicht um eine Untersuchung, sondern nur um eine Formalität innerhalb der ganzen Untersuchung, die unter Umständen verlangt, daß auch Gastmann vernommen werde, selbst wenn dies sinnlos ist; aber eine Untersuchung muß vollständig sein. Wir werden über Kunst sprechen, um die Untersuchung so harmlos wie nur immer möglich zu gestalten, und ich werde keine Fragen stellen. Sollte ich gleichwohl eine stellen müssen —
    der Formalität zuliebe —, würde ich dir die Frage vorher mitteilen.«
    Auch der Nationalrat hatte sich nun erhoben, so daß sich beide Männer gegenüberstanden. Der Nationalrat tippte dem Untersuchungsrichter auf die Schulter.
    »Das ist also abgemacht«, sagte er. »Du wirst Gastmann in Ruhe lassen, Lützchen, ich nehme dich beim Wort. Die Mappe lasse ich hier; die Liste ist genau geführt und vollständig. Ich habe die ganze Nacht herumtelefoniert, und die Auf-regung ist groß. Man weiß eben nicht, ob die 69
    fremde Gesandtschaft noch ein Interesse an den Verhandlungen hat, wenn sie den Fall Schmied erfährt. Millionen stehen auf dem Spiel, Dokter-chen, Millionen! Zudeinen Nachforschungen wünsche ich dir Glück. Du wirst es nötig haben.«
    Mit diesen Worten stampfte von Schwendi hinaus.

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    Lutz hatte gerade noch Zeit, die Liste des Nationalrats durchzusehen und sie, stöhnend über die Berühmtheit der Namen, sinken zu lassen — in was für eine unselige Angelegenheit bin ich da verwickelt, dachte er —, als Bärlach eintrat, natürlich ohne anzuklopfen. Der Alte hatte vor, die rechtlichen Mittel zu verlangen, bei Gastmann in Lamboing vorzusprechen, doch Lutz verwies ihn auf den Nachmittag. Jetzt sei es Zeit, zur Beerdigung zu gehen, sagte er und stand auf.
    Bärlach widersprach nicht und verließ das Zimmer mit Lutz, dem das Versprechen, Gastmann in Ruhe zu lassen, immer unvorsichtiger vorkam und der Bärlachs schärfsten Widerstand befürchtete.
    Sie standen auf der Straße, ohne zu reden, beide in schwarzen Mänteln, die sie hochschlugen. Es regnete, doch spannten sie die Schirme für die wenigen Schritte zum Wagen nicht auf. Blatter führte sie. Der Regen kam nun in wahren Kaskaden, prallte schief gegen die Fenster. Jeder saß unbeweglich in seiner Ecke. Nun muß ich es ihm 71
    sagen, dachte Lutz und schaute nach dem ruhigen Profil Bärlachs, der

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