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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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aufnehmen oder damit nach Tunica fahren und sich ein Jahr lang im Glücksspiel versuchen.
    Aber durfte er Harry Rex ebenfalls in Gefahr bringen? Drei Millionen waren Grund genug für mehr als einen Mord.
    Ray hatte eine Waffe. Wieso schützte er sich nicht selbst? Er konnte die Angreifer abwehren. Wenn sie durch die Tür kamen, würde er alle Lichter einschalten. Die Schüsse würden die Nachbarn alarmieren, und die ganze Stadt würde zusammenlaufen.
    Aber es bedurfte nur einer einzigen, wohl gezielten Kugel, eines kleinen Geschosses, das er vermutlich nie sehen und nur für einen oder zwei Augenblicke spüren würde … Und seine Angreifer waren nicht nur in der Überzahl, sondern hatten in ihrem Leben auch unverhältnismäßig viel mehr Schüsse abgegeben als Professor Ray Atlee. Er hatte bereits beschlossen, dass er nicht sterben wollte. Das Leben zu Hause in Virginia war einfach zu angenehm.
    Gerade, als sich sein Herzschlag allmählich beruhigte und sein Puls wieder langsamer schlug, krachte ein zweiter Ziegel ins Haus, diesmal durch das kleine Fenster über der Spüle. Ray zuckte zusammen, schrie auf und ließ die Waffe fallen. Er stieß sie mit dem Fuß beiseite, während er in die Eingangshalle rannte. Auf Händen und Knien zerrte und schob er die drei Säcke mit dem Geld in das Arbeitszimmer des Richters. Er zog das Sofa von den Regalen weg und begann schwitzend und fluchend, die Geld-bündel wieder in den Schrank zu werfen, wo er sie gefunden hatte. Jeden Augenblick rechnete er mit einem weiteren Stein oder den ersten Schüssen.
    Nachdem er das Geld vollständig wieder in das Versteck gestopft hatte, holte er den Revolver und schloss die Vordertür auf. Er hastete zu seinem Auto, ließ den Motor an und legte einen Start hin, der tiefe Spurrillen auf dem Rasen hinterließ.
    Wenigstens war ihm unverletzt die Flucht gelungen. Für den Augenblick war das alles, was ihn interessierte.

    Nördlich von Clanton, in der Gegend um den Lake Chatoula, war das Land flach. Auf einer Strecke von drei Kilometern war die Straße dort völlig gerade und eben. Die als »Bottoms« bekannte Sumpfgegend - wahrlich das Ende der Welt - war jahrelang Schauplatz nächtlicher Dragrennen, Saufge-lage, Prügeleien und ähnlich erfreulicher Aktivitäten gewesen. Bis zu diesem Augenblick war Ray dem Tod noch nie so nah gewesen wie einmal während seiner Highschool-Zeit, als er sich auf dem Rücksitz eines voll besetzten Pontlac Firebird wiederfand, der von einem betrunkenen Bobby Lee West gesteuert wurde. Dieser lieferte sich ein Dragrennen mit einem Camaro, der von dem noch besoffeneren Doug Terring gelenkt wurde. Beide Fahrzeuge rasten mit mehr als hundertsechzig Stundenkilometern durch die Bottoms. Ray hatte überlebt, aber Bobby Lee war ein Jahr später ums Leben gekommen, als sein Firebird von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte.
    Als er jetzt die ebene Gerade erreichte, trat er aufs Gas und ließ den TT
    zeigen, was er konnte. Es war halb drei morgens, da schlief sicher jeder außer ihm.
    Elmer Conway hatte tatsächlich geschlafen, aber ein riesiger Moskito hatte Blut aus seiner Stirn gesaugt und ihn dabei geweckt. Als er die Lichter des sich rasch nähernden Fahrzeugs sah, schaltete er das Radargerät ein.
    Es dauerte fast sechs Kilometer, bis das merkwürdige ausländische Wägel-chen an den Straßenrand fuhr und anhielt. Inzwischen war Elmer sauer.
    Ray beging den Fehler, die Fahrertür zu öffnen und auszusteigen. Das gefiel Elmer gar nicht.
    »Stehen bleiben, Arschloch!«, brüllte er über den Lauf seiner Dienstpis-tole hinweg, die, wie Ray schnell erkannte, auf seinen Kopf gerichtet war.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er, wobei er die Hände hob.

    »Weg vom Auto!« Elmer deutete mit der Waffe auf eine Stelle in der Nähe der Mittellinie.
    »Selbstverständlich, Sir, aber bitte bleiben Sie ruhig.« Ray trat hastig zur Seite.
    »Wie heißen Sie?«
    »Ray Atlee. Ich bin Richter Atlees Sohn. Könnten Sie bitte die Waffe wieder einstecken?«
    Elmer senkte die Pistole ein paar Zentimeter, gerade so weit, dass die Kugel Ray in den Magen und nicht in den Kopf getroffen hätte. »Auf Ihrem Nummernschild steht aber Virginia.«
    »Weil ich in Virginia lebe.«
    »Und dort wollen Sie jetzt hin?«
    »Ja, Sir.«
    »Und warum so eilig?«
    »Ich weiß nicht, ich dachte nur …«
    »Sie sind über hundertfünfzig gefahren.«
    »Tut mir Leid.«
    »Sollte es auch. Das ist Gefährdung des Straßenverkehrs. « Elmer trat einen Schritt

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