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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wo er lange in der Hitze saß und gelegentlich einen Blick auf Gordie warf. Die Priests handelten schnell - gestern Morgen Biloxi, vergangene Nacht Charlottesville. Wo waren sie jetzt?
    In der Raststätte trank er Kaffee und hörte den Fernfahrern zu. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, rief er im Alcorn Village an, um zu hören, wie es Forrest ging. Der war gerade in seinem Zimmer und schlief den Schlaf der Gerechten, wie er es nannte. Er finde es immer wieder erstaunlich, sagte er nun, wie viel er während der Therapie schlafe. Über das Essen hatte er sich inzwischen beschwert, was zu einer leichten Verbesserung geführt hatte. Entweder das, oder er hatte eine Vorliebe für Wackelpudding entwickelt. Ganz wie ein Kind in Disneyworld fragte er, wie lange er bleiben könne. Ray sagte, er sei sich nicht sicher. Die Geldquelle, die ihm einst unerschöpflich vorgekommen war, schien auf einmal vom Versiegen bedroht zu sein.
    »Lass mich hier bleiben, Bruderherz«, flehte Forrest. »Ich will für den Rest meines Lebens hier bleiben.«
    Die Atkins-Jungen hatten ihre Arbeit am Dach von Maple Run ohne Zwischenfall beendet. Als Ray eintraf, war keine Menschenseele zu sehen.
    Er rief Harry Rex an, um sich zurückzumelden. »Lass uns heute Abend auf der Veranda ein Bier trinken«, schlug er vor.
    Eine solche Einladung hatte Harry Rex noch nie ausgeschlagen.

    Neben dem Gehweg, unmittelbar vor dem Haus, gab es eine ebene, mit dichtem Gras bewachsene Stelle. Nach reiflicher Überlegung entschied Ray, dass das der richtige Platz für eine Autowäsche war. Er parkte den kleinen Audi mit der Nase zur Straße, so dass Heck und Kofferraum nur einen Schritt von der Veranda entfernt waren. Im Keller fand er einen alten Blecheimer, im Schuppen hinter dem Haus einen löchrigen Schlauch. Ohne Hemd und Schuhe plantschte er zwei Stunden lang in der heißen Nachmit-tagssonne herum und schrubbte den Roadster. Dann wachste und polierte er ihn eine Stunde lang. Um siebzehn Uhr öffnete er eine Flasche kaltes Bier und setzte sich auf die Stufen, um das Ergebnis seiner Arbeit zu bewundern.
    Er rief die private Handynummer an, die ihm Patton French gegeben hatte, aber der große Mann war natürlich zu beschäftigt. Ray hatte sich für die Gastfreundschaft bedanken wollen, aber eigentlich wollte er erfahren, ob es Fortschritte bei der Eliminierung der Priest-Bande gegeben hatte. Natürlich hätte er diese Frage niemals direkt gestellt, aber ein hart gesottener Bursche wie French würde mit einer solchen Neuigkeit nicht hinter dem Berg halten.
    Vermutlich hatte French ihn schon vergessen. Im Grund war es ihm völlig egal, ob die Priests Ray oder irgendwen sonst erledigten. Schließlich musste er an den Sammelklagen auf Schadenersatz eine halbe Milliarde verdienen, und dafür benötigte er seine gesamte Energie. Falls man gegen jemanden wie French wegen Schmiergeldzahlungen oder Auftragsmord Anklage erhob, würde er fünfzig Anwälte engagieren und jeden einzelnen Gerichtsschreiber, Richter, Staatsanwalt und Geschworenen kaufen.
    Ray rief Corey Crawford an und erfuhr, dass der Vermieter die Türen erneut repariert hatte. Die Polizei hatte versprochen, die Wohnung in den nächsten Tagen bis zu seiner Rückkehr im Auge zu behalten.
    Um kurz nach sechs Uhr bog ein Lieferwagen von der Straße in die Auffahrt. Ein lächelnder Bote sprang mit einem dünnen Kurier-Umschlag heraus, den Ray noch lange nach der Übergabe anstarrte. Bei dem Luftfrachtbrief handelte es sich um ein vorgedrucktes Formular der juristischen Fakultät der Universität von Virginia, das von Hand an Mr. Ray Atlee, Maple Run, 816 Fourth Street, Clanton, Mississippi, adressiert worden war. Das Datum war das vom Vortag, vom 2. Juni. Alles an dem Umschlag kam ihm verdächtig vor.
    Niemand an der juristischen Fakultät hatte seine Adresse in Clanton, und nichts von dort konnte so dringend sein, dass es per Kurier über Nacht aus-geliefert werden musste. Noch nie hatte er in den Sommerferien eine FedEx-Sendung von der Fakultät erhalten, und er sah keinen Grund, weshalb die Universität ihm überhaupt etwas schicken sollte. Er öffnete noch ein Bier und kehrte dann zur Vordertreppe zurück, wo er das verdammte Ding ergriff und aufriss.
    Ein schlichter weißer A4-Umschlag, auf den jemand außen das Wort
    »Ray« gekritzelt hatte. Innen fand er eines der inzwischen vertrauten Fotos von Chaney’s, das diesmal die Vorderseite von Lagerabteil 18 R zeigte.

    Darunter stand in der krakeligen

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