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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Rücksitz rasten sie um den Clanton Square, Sirene und Blaulicht liefen auf vollen Touren. Schon aus zwei Blocks Entfernung sahen sie das Feuer. »Großer Gott«, sagte Haney von hinten.
    Wenige Ereignisse sorgten in Clanton so für Aufregung wie ein richtiger Brand. Die beiden Feuerwehrwagen der Stadt waren vor Ort, Dutzende von Freiwilligen liefen umher, alles schien zu schreien. Auf dem Gehweg auf der anderen Straßenseite versammelten sich die Nachbarn.
    Die Flammen schlugen schon durch das Dach. Als Ray über eine Was-serleitung auf die vordere Rasenfläche trat, atmete er den unverkennbaren Geruch von Benzin ein.

35
    Im Grunde war das Liebesnest ein langer, schmaler Raum voll Staub und Spinnweben - gar kein so schlechter Platz für ein Nickerchen. Von der schrägen Decke hing in der Mitte des Zimmers eine einzelne Lampe herab. Das einzige Fenster ging auf den Clanton Square hinaus, sein Rahmen war irgendwann im vergangenen Jahrhundert zum letzten Mal gestrichen worden. Bei dem eisernen Bett handelte es sich um eine Antiquität ohne Laken und Decken. Ray bemühte sich, nicht an Harry Rex und dessen Abenteuer auf eben dieser Matratze zu denken. Er dachte an das alte Haus, Maple Run, und seinen ruhmreichen Eingang in die Geschichte. Als das Dach einstürzte, hatte sich bereits halb Clanton vor dem Anwesen versammelt. Vor den Blicken der anderen verborgen, hatte Ray allein auf dem niedrigen Ast eines Ahornbaums auf der anderen Straßenseite gesessen und vergeblich versucht, liebevolle Erinnerungen an eine wunderbare Kindheit heraufzubeschwören, die es nie gegeben hatte. Während die Flammen aus den Fenstern schlugen, dachte er weder an das Geld noch an den Schreibtisch des Richters oder den Esstisch ihrer Mutter, sondern nur an den alten General Forrest, der mit grimmi-gem Blick auf ihn herabsah.
    Drei Stunden Schlaf, um acht war er wieder wach. Die Temperatur in diesem Sündenpfuhl stieg rasch an, und auf der Treppe näherten sich schwere Schritte.
    Harry Rex öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. »Aufwachen, Verbrecher, du wirst im Gefängnis verlangt.«
    Ray schwang die Füße auf den Boden. »Niemand hat mich daran gehindert wegzugehen.« Nachdem er Elmer und Haney in der Menge verloren hatte, war er mit Harry Rex einfach davongefahren.
    »Hast du denen gesagt, sie könnten dein Auto durchsuchen?«
    »Ja.«
    »Ziemlich blöd von dir. Was für ein Anwalt bist du eigentlich?« Er nahm sich einen hölzernen Klappstuhl, der an der Wand lehnte, und setzte sich neben das Bett.
    »Ich habe nichts zu verbergen.«
    »Du bist wirklich selten dumm. Die haben das Auto durchwühlt und nichts gefunden.«
    »Genau das hatte ich erwartet.«
    »Keine Kleidung, keine Reisetasche, kein Gepäck, keine Zahnbürste -

    nicht den geringsten Hinweis darauf, dass du die Stadt verlassen wolltest, um nach Hause zu fahren, wie du offiziell behauptet hast.«
    »Ich habe das Haus nicht angezündet, Harry Rex.«
    »Aber du eignest dich ausgezeichnet als Verdächtiger. Du haust mitten in der Nacht ab, ohne Kleidung, ohne alles, und rast durch die Sümpfe, als wäre der Teufel hinter dir her. Die alte Mrs. Larrimore aus deiner Straße sieht dich in deinem komischen kleinen Vehlkel davonbrausen, und zehn Minuten später ist die Feuerwehr da. Du lässt dich von dem dümmsten Hilfssheriff im Staat dabei erwischen, wie du mit hundertfünfzig den Highway runterrast. Erklär das mal.«
    »Ich habe es nicht abgefackelt.«
    »Warum bist du um halb drei Uhr morgens abgehauen?«
    »Jemand hat einen Ziegel durch das Esszimmerfenster geworfen, da bekam ich Angst.«
    »Du hattest doch eine Waffe.«
    »Die wollte ich nicht benutzen. Ich wollte lieber weglaufen, als jemanden erschießen.«
    »Du warst zu lange im Norden.«
    »Ich lebe nicht im Norden.«
    »Woher stammt deine Verletzung?«
    »Der Stein hat das Fenster durchschlagen, und als ich es untersuchte, ha-be ich mich geschnitten.«
    »Warum hast du nicht die Polizei gerufen?«
    »Weil ich in Panik geriet. Ich wollte nur noch nach Hause.«
    »Und zehn Minuten später schüttet jemand Benzin über das Haus und zündet ein Streichholz an.«
    »Keine Ahnung, was die getan haben.«
    »Ich würde dich verurteilen.«
    »Nein, du bist mein Anwalt.«
    »Irrtum, ich bin der Anwalt für den Nachlass, der im Übrigen soeben seinen einzigen Aktivposten verloren hat.«
    »Es gibt doch eine Brandschutzversicherung.«
    »Ja, aber an das Geld kommst du nicht ran.«
    »Warum nicht?«
    »Wenn du einen

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