Der Richter
Jäger dachten, es wäre Drogengeld, und behielten es daher. Schließlich stellte sich heraus, dass sie Recht hatten - das Geld war markiert. Nach kurzer Zeit tauchte es überall in ihrer kleinen Stadt auf.«
»Ich glaube, daran kann ich mich erinnern«, sagte Talbert.
Ich muss gut sein, dachte Ray. »Mich würde nun Folgendes interessieren: Könnten diese Jäger oder jemand, der Geld findet, zum FBI, der DEA oder dem Finanzministerium gehen und die Scheine untersuchen lassen, um festzustellen, ob sie markiert sind, und falls ja, wo das Geld herkommt?«
Talbert kratzte sich die Wange und überlegte kurz, dann zuckte er mit den Achseln und sagte: »Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen.
Allerdings würde der Finder dann Gefahr laufen, das Geld zu verlieren.«
»Dann bin ich ziemlich sicher, dass so etwas nicht gerade häufig vor-kommt«, erwiderte Ray, und beide lachten.
Talbert erzählte eine Anekdote von einem Richter in Chicago, der Bestechungsgelder von Rechtsanwälten nahm - kleine Summen, fünfhundert Dollar hier, tausend Dollar da - und dafür Fälle auf der Prozessliste vorzog oder ein wohlwollendes Urteil fällte. Das ging jahrelang so, bis das FBI einen Tipp bekam. Einige der Rechtsanwälte wurden festgenommen und zur Mitarbeit überredet. Das FBI notierte sich die Seriennummern der Scheine. Während der zwei Jahre dauernden Operation wurden insgesamt dreihundertfünfzigtausend Dollar über den Richtertisch geschoben. Als das FBI zuschlagen wollte, war das Geld plötzlich verschwunden. jemand hatte den Richter gewarnt. Das Geld wurde schließlich in einer Garage gefunden, die dem Bruder des Richters gehörte. Alle Beteiligten wanderten ins Ge-fängnis.
Ray zuckte zusammen. War es nur Zufall, oder wollte ihm Talbert damit etwas sagen? Aber als der Beamte weitererzählte, entspannte er sich wieder, obwohl die Geschichte verdächtige Ähnlichkeiten aufwies. Talbert wusste jedoch nichts über Rays Vater.
Während Ray in einem Taxi zum Flughafen fuhr, nahm er seinen Schreib-block und fing an zu rechnen. Ein Richter wie der in Chicago würde etwas mehr als siebzehn Jahre brauchen, um drei Millionen Dollar anzuhäufen, wenn man davon ausging, dass er pro Jahr hundertfünfundsiebzigtausend Dollar an Bestechungsgeldern entgegennahm. Das war jedoch nur in Chicago möglich, mit seinen Hunderten von Gerichten und Tausenden von wohlhabenden Anwälten, die Fälle vertraten, bei denen es um sehr viel mehr Geld ging als bei jenen im nördlichen Mississippi. In Chicago war das Justizsystem eine florierende Industrie, in der man vieles durchgehen ließ und bei der das Räderwerk geschmiert werden konnte. Doch in der Welt von Richter Atlee wurde alles von einer Hand voll Leute erledigt, und wenn Geld angeboten oder genommen wurde, wussten alle davon. Die drei Millionen konnten schon deshalb nicht aus dem 25. Chancery District stammen, weil dort gar nicht so viel Geld im Umlauf war.
Ray kam zu dem Schluss, dass er noch einmal nach Atlantic City musste.
Dieses Mal würde er noch mehr Bargeld mitnehmen und es durch das System schleusen. Ein letzter Test. Er musste unbedingt wissen, ob das Geld des Richters markiert war.
Fog würde begeistert sein.
20
Nachdem Vicki Ray verlassen hatte und zum Liquidator gezogen war, hatte ein befreundeter Professor Axel Sullivan als Anwalt für die Scheidung empfohlen. Axel war ein guter Anwalt, aber er hatte nicht viel für Ray tun können. Vicki war weg, sie würde nicht wiederkommen, und sie wollte nichts von Ray haben. Axel sorgte dafür, dass der Papierkram erledigt wurde, empfahl Ray einen guten Therapeuten und stand ihm während der Scheidung nach besten Kräften zur Seite. Ihm zufolge war der zuverlässigs-te Privatdetektiv in der Stadt Corey Crawford, ein schwarzer Expolizist, der im Gefängnis gesessen hatte, weil er einen Verdächtigen verprügelt hatte.
Crawfords Büro lag über der Kneipe, die sein Bruder in der Nähe des Campus eröffnet hatte. Es war eine nette Kneipe mit einer Speisekarte und Fenstern, die das Tageslicht hereinließen, Live-Musik am Wochenende und ordentlichen Gästen, bis auf einen Buchmacher, der unter den Studenten nach Kunden suchte. Trotzdem parkte Ray seinen Wagen drei Häuserblocks von der Kneipe entfernt. Er wollte nicht gesehen werden, wenn er das Gebäude betrat. Ein Schild, auf dem GRAWFORD INVESTIGATIONS
stand, wies ihm den Weg zu einer Treppe, die seitlich vom Gebäude nach oben führte.
Es gab keine Sekretärin, zumindest war
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