Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
einen sonderbar aussehenden Umschlag. »Ich dachte, das hier würde dich interessieren.«
    »Was ist das?«
    »Eine Einladung zum Bussardball.«
    » Zum was? « Ray zog die Einladung aus dem Umschlag.
    »Der erste und vermutlich auch letzte Bussardball. Eine Wohltätigkeits-gala mit Smokingzwang, deren Erlös dem Schutz der Vogelwelt im Piedmont zugute kommt. Wirf mal einen Blick auf die Gastgeber.«
    »Vicki und Lew Rodowski laden Sie herzlich ein … «, las Ray langsam vor.
    »Der Liquidator rettet unsere Vögel. Rührend, nicht wahr? «
    » Fünftausend Dollar pro Paar! «
    »Ich glaube, das ist ein Rekord für Charlottesville. Die Einladung wurde an den Dekan geschickt. Er steht auf der Gästeliste, wir nicht. Selbst seine Frau war schockiert, als sie den Eintrittspreis gesehen hat.«

    »Suzie lässt sich durch nichts schockieren.«
    »Das dachte ich auch. Das Ziel sind zweihundert Paare. Sie werden etwa eine Million an Spenden einsammeln und allen zeigen, wie man so was macht. Das ist jedenfalls ihr Plan. Suzie sagt, wenn sie Glück haben, kommen dreißig Paare. «
    »Sie geht nicht hin?«
    »Nein, und der Dekan ist sehr erleichtert darüber. Er meinte, es sei die erste Einladung zu einer Abendveranstaltung seit zehn Jahren, der sie nicht nachkommen.«
    »Die Drifters als Band?«, wunderte sich Ray, während er den Rest der Einladung überflog.
    »Das kostet ihn fünfzigtausend.«
    »Was für ein Idiot.«
    »So ist Charlottesville nun mal. Da kommt irgend so ein Clown von der Wall Street, sucht sich eine neue Frau, kauft eine große Pferdefarm, fängt an, mit Geld um sich zu werfen und glaubt dann, er wäre der größte Mann in der kleinen Stadt. «
    »Ich werde jedenfalls nicht hingehen.«
    »Du bist auch nicht eingeladen. Die Karte kannst du aber trotzdem behalten.«
    Als Carl weg war, trat Ray mit der Einladung in der Hand an seinen Schreibtisch. Er legte die Füße auf den Tisch, schloss die Augen und begann zu träumen. Er stellte sich Kaley in einem eng anliegenden, rücken-freien schwarzen Kleid vor, das Schlitze bis zu den Oberschenkeln und einen sehr tiefen V-Ausschnitt hatte. Sie sah atemberaubend aus, war dreizehn Jahre jünger als Vicki und erheblich besser in Form. Zusammen mit Ray, der ebenfalls kein schlechter Tänzer war, bewegte sie sich zum Motown-Sound der Drifters über die Tanzfläche, während alle zusahen und flüsterten: »Wer ist das denn?«
    Vicki wäre dann gezwungen, den armen, alten Lew auf die Tanzfläche zu zerren - Lew in seinem Designersmoking, der den Bauchansatz nicht verstecken konnte, Lew mit den Büscheln hellgrauer Haare über den Ohren, Lew, den alten Ziegenbock, der sich Respekt erkaufen wollte, indem er Vögel rettete, Lew mit dem von Arthritis gekrümmten Rücken, den tapsi-gen Füßen und Bewegungen so steif wie ein Kipplaster der Müllabfuhr, Lew, der so stolz war auf seine Trophäenfrau in ihrem Designerabendkleid, das viel zu viel von ihrer hinreißend unterernährten Figur offenbarte …
    Ray und Kaley würden viel besser aussehen und viel besser tanzen. Aber was würde das schon beweisen?

    Eine hübsche Szene, die er sich da vorstellte, aber es war besser, wenn er nicht mehr daran dachte. jetzt, da er das Geld hatte, konnte er seine Zeit nicht mit so etwas Unwichtigem verschwenden.

    Die Fahrt nach Washington dauerte in der Regel nur zwei Stunden, und mehr als die Hälfte davon führte durch eine abwechslungsreiche, idyllische Landschaft. Aber Rays Reisegewohnheiten hatten sich inzwischen geändert. Er und Fog flogen stattdessen mit der Bonanza in achtunddreißig Minuten zum Ronald Reagan National Airport, wo man sie nur widerwillig landen ließ, obwohl sie einen Slot reserviert hatten. Ray sprang in ein Taxi, und fünfzehn Minuten später stand er vor dem Finanzministerium in der Pennsylvania Avenue.
    Ein Kollege von der juristischen Fakultät hatte einen Schwager, der ein hohes Tier im Finanzministerium war. Einige Telefonate waren geführt worden, und nun begrüßte Mr. Oliver Talbert Professor Atlee in seinem recht bequemen Büro im BEP, dem Bureau of Engraving and Printing, der für den Druck von Banknoten zuständigen Abteilung des Ministeriums. Der Professor arbeitete gerade an einem nur vage umrissenen Forschungspro-jekt und würde Talbert nicht einmal eine Stunde in Anspruch nehmen. Talbert war nicht der Schwager, aber man hatte ihn gebeten einzuspringen.
    Sie sprachen zuerst über das Thema Falschgeld, und Talbert beschrieb in groben Zügen die

Weitere Kostenlose Bücher