Der Rikschamann
Rattan-Liege, und die steht zu Hause in meinem Poolhaus!
Leertakt.
Klick – Splash. Dieser Groove, das ist die Dusche vor dem Pool, die immer noch tropft, weil der blöde Klempner erst nächste Woche kommt. Was da auf mir liegt, ist nicht die Bettdecke – das ist Frottee, ich habe einen Bademantel an! Deshalb sind meine Füße auch so arschkalt, die gucken unten raus…
Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Dem Sound nach eindeutig die Tür vom Poolhaus. Er befand sich also tatsächlich in seinem Anwesen am Falkenstein und nicht mehr im Penthouse-Apartment. Himmel – hoffentlich hatte er in seinem Suff das Mädchen nicht mit hierher gebracht, Elena würde abgehen wie ein Rottweiler auf Speed.
Unvermittelt sägte sich schrilles Babygeschrei durch seine Stirnlappen. Schiss-Moll. Pieter zog die Augenlider hoch und bereute auf der Stelle: Umgehend perforierte grelles Tageslicht den kümmerlichen Rest seines Gehirns, den die Babygeschrei-Kettensäge noch übrig gelassen hatte.
»Pete? Was machst du hier?«
Elena, seine Gattin, in nichts als einem langen, seidigen Morgenmantel. Ziemlich durchsichtig im Gegenlicht. Nicht, dass es Pieter in seinem momentanen Zustand anturnte. Schon gar nicht, solange Elena dieses dreimonatige Menschenbündel vor der Brust trug, dessen Schreiorgan einem Operntenor zur Ehre gereicht hätte. Im gekachelten Echo-Ambiente des Poolhauses kam das besonders gut – bloß nicht, wenn man gerade mit dem Schädel des Jahrhunderts aufgewacht war. Trotzdem, dachte Pieter, ungeachtet des Martyriums sogar mit einem leisen Anflug von Stolz: Mein Sohn! Mein Sohn Sascha. Aber sei leise, bittebittebitte…
»Geht der irgendwie auch aus?« Ein Gefühl im Mund, als sei ihm am Gaumen über Nacht ein Vollbart gewachsen.
Mit ein paar sanft gemurmelten Beruhigungen auf Baby-Pidgin und ein bisschen Hin- und Herwiegen ließ sich der Kleine rasch von seiner Mutter einlullen.
»Schsch, Schsch!« machte Elena, ohne ihren Mann aus den Augen zu lassen, der schlaff auf der Liege hing wie dahingerafft. »Ich hab’ überhaupt nicht mitgekriegt, dass du nachhause gekommen bist, Pete!«
Ich auch nicht, dachte Pieter bei sich. Laut sagte er: »War schon spät.«
Sie nickte nur. »Muss wohl.«
Los, raff’ Dich zu einer Erklärung auf, Pieter. Elena lässt vorher sowieso nicht locker.
»Hab noch mit so’n paar Studiomusikern palavert«, improvisierte Pieter zögerlich, »wegen dem nächsten Album. Die qualmen alle wie die Öfen und geschluckt wird da ja auch nicht schlecht… Ich dachte, ich schwimm mich ein bisschen fit, bevor ich ins Bett geh’ – und da muss ich wohl hier eingenickt sein.«
Sie lächelte zuckersüß. »Kannst mir ruhig Bescheid sagen, wenn du nächstes Mal nachts nackt baden gehst!«
Pieter blickte an sich herunter. Uups. Der Bademantel war ihm beidseitig von der Wampe geglitten, darunter trug er nichts – hastig zog er die Frotteehälften wieder vor seine Blöße. »Meine Badehosen sind alle drüben im Haus! Wollte dich ja nicht wecken – kriegst doch sowieso nicht genug Schlaf, mit dem Kleinen…« Genial. Pieter klopfte sich innerlich auf die Schulter.
Elena beugte sich zu ihm herab, hielt Sascha mit einer Hand fest und ließ die andere spielerisch zwischen die nun wieder klaffenden Hälften des Bademantels gleiten. »Wo hast du denn deine Klamotten gelassen?«
Gute Frage. Nur ein ganz mieser Zeitpunkt. Pieter hatte partout keine Ahnung. Doch diesmal half ihm seine Frau selbst aus der Klemme.
»Aber natürlich, du hast ja erzählt, die Studiomusiker haben so schrecklich viel geraucht! Hast das Zeug gleich in die Dreckwäsche geworfen? Lieb von dir, von nikotinverqualmten Sachen wird mir seit der Schwangerschaft immer übel! Süß von dir, das du soviel Rücksicht nimmst!«
»Nicht wahr?« gab Pieter lahm von sich.
Ihre Hand glitt unter seinem Bademantel Richtung Süden und kraulte sanft. »Und dass du in deinem Zustand nicht mehr Auto gefahren bist, finde ich auch Spitze! Vorhin dachte ich erst, du bist noch gar nicht da, weil der BMW nicht in der Garage ist…«
»Gibt ja Taxis«, tastete sich Pieter vor und zuckte zusammen: Elenas plötzlicher Griff an sein bestes Stück lag haarscharf auf der Grenze von Aaah! zu Au! – dann zog sie ihre Hand zurück, unschuldig lächelnd.
»Richtig verantwortungsbewusst. Ich bin stolz auf dich.«
Angestrengt forschte Pieter in ihrer Miene nach versteckter Ironie und einem bevorstehenden Emotionsausbruch. Fehlanzeige. Sie
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