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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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Oleg telefoniert und schaltet gleich wieder ab!«
    »Ich hab’ ihn!« vermeldete Straschitz und zog triumphierend eine Flasche aus dem Übertopf einer vertrockneten Yucca-Palme. »Lagavulin, Isle of Islay – wie versprochen!« Er inspizierte den Pegelstand und zog die Stirn kraus. »Leider noch weniger drin, als ich dachte.«
    »Danke, für mich nicht«, winkte Max ab. »Da stimmt irgendwas gar nicht. Ich muss Oleg finden!«
    »Wo willst du da anfangen?« gab Elke zu bedenken – gerade damit beschäftigt, die Bücher ins Regal zurück zu räumen, die der Professor auf der Suche nach dem Whisky an verschiedenen Stellen aus den Regalen gezogen und achtlos auf dem Fußboden gelegt hatte. Straschitz schnaubte unmutig, stellte die Flasche ab und steckte hinter seiner Tochter die eben eingeräumten Bücher wieder um, sein eigenes Chaossystem wieder restaurierend.
    »Vielleicht hat ihn einer von unseren Rikschakollegen heute irgendwo gesehen«, überlegte Max.
    »Es ist gleich Neun und außerdem stockdunkel. Deine Kollegen sind doch sicher alle längst von der Straße!«
    »Viele von uns sind nach einem Langen Samstag immer noch im »Gestern & Heute Treff« – zum Essen und auf ein Bier! Ein paar sind bestimmt noch da…«
    Elke schob den letzten Schwung Bücher energisch ins Regal und wandte sich Max zu. »Dann lass uns gehen!«
    »Nimmst du deinen Koffer gleich mit?« erkundigte sich Straschitz hoffnungsvoll.
    »Der bleibt hier!« giftete seine Tochter zurück.
    Max schüttelte den Kopf. »Ich gehe allein. Vielen Dank für die Dusche und den Kaffee. Und wenn ich meine Tasche vielleicht hier stehen lassen und morgen abholen könnte – das wäre sehr nett, ich müsste sie dann nicht durch die Gegend schleppen. Vielleicht erfahre ich ja was in der Kneipe und muss schnell weiter.«
    »Nur zu«, gab Straschitz sein Einverständnis. »Ich wollte ja sowieso noch etwas mit Ihnen besprechen, Max. Aber das hat Zeit, bis Sie Ihre Tasche abholen. Vielleicht haben wir dann mehr Ruhe.« Die letzte Bemerkung begleitete ein vielsagender Blick auf das Mädchen.
    Elke ignorierte die Spitze und sah Max ernst an. »Du hast mich gestern nicht im Stich gelassen. Heute bin ich dran. Bitte.«
    In ihren grünen Augen funkelte es plötzlich – derselbe intensive Energiestrahl, der in Max gestern vor dem Michel die letzten Reserven mobilisiert hatte, als er beim Rikscharennen schlapp zu machen drohte. Und wieder konnte er sich dieser Wirkung nicht entziehen. Es schadete ja auch nichts, wenn sie mitkam.
    »Okay.«
    Sie strebte schon zur Flurgarderobe und schnappte sich ihren Mantel. »Kann losgehen.«
    Max streifte seinen Parka über. Sie verließen die Wohnung und betraten den Fahrstuhl. Bevor sich die Kabinentür schloss, beugte sich Elke noch einmal hinaus und winkte dem Professor zu, der in seiner offenen Wohnungstür stand und ihnen skeptisch nachblickte.
    »Bis nachher, Papa!«
    »Ich geh’ früh schlafen!« verkündete Straschitz. »Kann sein, dass die Tür schon abgeschlossen ist, wenn du wiederkommst.«
    »Macht nichts«, erwiderte Elke zuckersüß, zog etwas aus der Tasche und schüttelte es klirrend. »Ich hab’ ja deinen Schlüssel.«
    Das entgeisterte Gesicht des Professors verschwand hinter den zusammengleitenden Flügeln der inneren Kabinentür wie hinter einer Filmklappe. Mit Unschuldsmiene steckte Elke das Schlüsselbund wieder ein.
    »Läuft das immer so bei euch?« erkundigte sich Max schmunzelnd.
    »Immer.«
    Mehr sagte sie nicht dazu, bis sie auf der Straße standen.
    »Am Besten, wir gehen zum Dammtor und dann durch den Botanischen Garten«, schlug Max vor und setzte sich in Bewegung. Elke hielt sich stumm an seiner Seite. Auf der Schlüterstraße waren nicht mehr viele Leute unterwegs. Wochentags wimmelte es hier von Studenten, die zwischen Campus und dem Rechtshaus pendelten. Das Audimax mit dem großen Hörsaal lag unter dem kühn geschwungenen Betondach im Dunkeln wie eine verschlossene Auster.
    »Was ist mit deinen Eltern?« erkundigte sich das Mädchen. »Siehst du sie oft? Versteht ihr euch gut?«
    »Oft sehe ich sie nicht. Sie leben in San Francisco.«
    »Whow. Nicht gerade nebenan.«
    »Mein Vater arbeitet für einen internationalen Finanzkonzern und ist sowieso ewig unterwegs gewesen. Vor drei Jahren gab es für ihn ein Angebot, fest drüben zu bleiben.«
    »Und deine Mutter?«
    »Die war schwer begeistert. San Francisco war immer ihr Traum. Sie ist mit Flower Power und dem ganzen Zeug aufgewachsen. Außerdem

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