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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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gekrümmt vor Schmerz. Den Wagen hatte die Finsternis verschluckt. Ein VW-Touareg, vermutete Oleg – da leuchteten in einiger Entfernung durch die dunkle Gischt ein Paar Bremsleuchten auf. Herzlichen Glückwunsch, hast du auch endlich was gemerkt, Arschloch! verfluchte Oleg den unbekannten Fahrer und hielt sich den schmerzenden Bauch – da erloschen die roten Lichter wieder. Oleg hörte den Touareg rangieren, ohne dessen Scheinwerfer zu erkennen.
    Der wendet, durchzuckte es ihn. Der kommt zurück! Das war Absicht…
    Der Adrenalinstoß überlagerte alle Schmerzen. Oleg lenkte die Rikscha auf Gegenkurs und stemmte sich in die Pedale. Kein Verkehr, keine Menschenseele, kein Licht. Nur der aggressiv aufheulende Motor, irgendwo hinter ihm. Irgendwo nach der nächsten Kurve müsste vor ihm das Licht der Verkehrsampel an der Kreuzung zur Schenefelder Landstraße auftauchen. Dahinter gab es eine Tankstelle, das wäre die Rettung! Oleg spürte, wie ihm die Luft wegblieb und die Beine schwer wurden. Vielleicht sind ein paar Rippen gebrochen, dachte er. Ich schaff’ es nicht bis zur Tanke. Aber vorher… Rechts standen nur ein paar Villen, weit zurückliegend hinter blickdichten Hecken, mannshohen Zäunen und verriegelten Einfahrtstoren. Blieb nur links. Der Hirschpark.
    Oleg erspähte eine Lücke im Zaun. Ein Weg in den Park hinein! Zu schmal für ein Auto. Hoffentlich. Der Touareg lag nur noch wenige Meter hinter ihm, als Oleg die Rikscha nach links zog, quer über die Elbchaussee raste und zwischen den Bäumen abtauchte. Hinter sich hörte er Bremsen kreischen und hektisch Wagentüren schlagen. Mehr als einer, erkannte Oleg und strampelte mit allen verbliebenen Kräften. Die kommen nach. Wer ist das? Was wollen die bloß?
    In Bauch und Brust brannte es wie Feuer. Oleg konnte kaum noch unterscheiden, ob die Sicht so mies war oder ihm schon schwarz vor Augen wurde. Vielleicht saß er jetzt erst richtig in der Falle. Auf der Straße wäre früher oder später ein anderes Auto vorbei gekommen – hier im Park war zu dieser Stunde und bei diesem Wetter keine Sau. Aber zehn Sekunden länger auf der Straße, und sie hätten ihn erwischt. Keine Wahl. Reiß dich zusammen, Oleg! spornte er sich an – doch es ging einfach nicht mehr. Er schaffte es gerade noch, die Rikscha hinter ein Gebüsch zu steuern und den LED-Strahler auszuknipsen, dann sackte er langsam aus dem Sattel, als hätte man ihm den Lebenssaft mit einem Dimmer abgedreht. Angeschlagen schleppte er sich weiter, weg vom Weg und tiefer ins Dickicht hinein, bis er sich schließlich ausgepumpt zu Boden fallen ließ.
    Ich bin schon weit weg von der Straße, überlegte Oleg und versuchte sein atemloses Hecheln zu kontrollieren. Bloß leise sein. Das ist ein Riesenpark, und man sieht überhaupt nichts. Ich muss nur den toten Mann spielen, dann finden die mich nie…
    In diesem Moment hörte er sie. Einen von ihnen. Die Stimme gedämpft durch Regen, Büsche und die Entfernung, aber irgendwie bekannt.
    »Da vorne! Siehst du?«
    Verdammt, dachte Oleg, was sehen die?
    »Da im Gebüsch! Die Rikscha!«
    Die Cat Eyes, durchfuhr es Oleg. Und das Flackerlicht. Er hatte in seiner Panik vergessen, die Rückbeleuchtung auszuschalten.
    »Der kann nicht weit sein. Weitersuchen!«
    Auch die Stimme des zweiten Mannes kam Oleg bekannt vor. Die ließen nicht locker. Jetzt sah Oleg aus Richtung der Rikscha ein helles Licht aufleuchten und über die Büsche tanzen. Einer der Verfolger hatte den LED-Strahler vom Lenker genommen und benutzte ihn als Suchscheinwerfer. Clever. Obwohl die Männer noch viel zu weit entfernt waren, um ihn zu entdecken, drückte sich Oleg tief auf den schlammigen Waldboden. Er hätte noch sein Handy, fiel ihm ein. Polizei rufen? Die kämen mit Tatütata, seine Verfolger würden spurlos verschwinden und er bliebe über – ein Russlanddeutscher, der sowieso schon in einen dubiosen Mordfall verwickelt ist. Und dann kämen die Fragen: Was er mit seiner Rikscha so spät hier draußen wollte? Warum wollte ihn jemand überfahren? Und schon hätte ihn die Polizei auf dem Kieker und würden ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Das kann ich nicht gebrauchen, wusste Oleg. Ich will die Million von Westheim, dafür brauche ich freien Spielraum. Keine Bullen.
    Der Lichtkegel wanderte in weitem Bogen an ihm vorbei und verschwand außer Sicht. Oleg richtete sich ein wenig auf und sackte gleich wieder zusammen, weil ihm stechender Schmerz durch die Eingeweide schoss. Auf die Rikscha

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