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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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meiner Tasche steckt, gehört mir ganz allein! In diesem Schuppen bin ich schon mal die wahre Nummer Eins. Und dabei soll es nicht bleiben, versprach er sich selbst entschlossen. Mit dem Trinkgeld in der Jackentasche gäbe er sich auf keinen Fall zufrieden.
    Deshalb würde er die Sache mit der Million von Westheim auch durchziehen, egal, wer da sonst noch mitmischte. So eine Chance durfte man nicht wegschenken. Außerdem, was täte er schon Schlimmes? Er hatte niemanden ermordet. Keine Köpfe und Finger abgehackt. Und Piet West könnte eine Million weniger auf dem Konto locker verschmerzen. Für Oleg dagegen würde das Geld endlich das richtige Leben bedeuten. Und seine Schulden bei Rufus könnte er auch begleichen.
    Als Erstes wollte sich Oleg aber bei der Polizei melden. Max hatte denen bestimmt von ihm erzählt, und man erwartete sicher seine Zeugenaussage. Noch könnte er sein plötzliches Verschwinden vom Fundort des Schädels ganz gut als Schockreaktion erklären, doch mit jeder vergangenen Stunde wäre das unglaubwürdiger. Oleg würde zugeben, Nastja gekannt zu haben – das fänden die Bullen sowieso schnell heraus, schätzte er. Aber sie war eben nur eine Bekannte. Danach würde Oleg nach Hause fahren. Mit etwas Glück wäre Max nicht da, wenn doch, würde er einfach nicht viel mit ihm reden und sich in sein Zimmer verziehen, um zu überlegen, wo und wann Piet West ihm die Million übergeben dürfte.
    Ein guter Plan, dachte Oleg, trank aus, zerdrückte den Kaffeebecher und schlüpfte in die klamme Jacke. Auf dem Weg nach draußen zückte er sein privates Handy und stellte es an. Er überlegte noch, ob es taktisch klüger wäre, die Polizei anzurufen oder einfach beim nächsten Revier vorzufahren, als aus dem Telefon in seiner Hand der Don-Kosaken-Chor »Kalinka« plärrte. Ein Blick aufs Display zeigte Oleg die Nummer des Anrufers: Weder Max noch die Bullen – es war Rufus, der Besitzer des »Hell on Earth«. Oleg drückte sich auf die Rückbank der Rikscha und meldete sich. »Hallo?«
    »Oleg?«
    Das war Rufus. »Hallo, ich komm’ heute wohl nicht in den Club – aber du kriegst dein Geld spätestens morgen, versprochen…«
    »Kein Problem, Junge. Vielleicht brauchst du mir auch gar nichts mehr zahlen!«
    Oleg horchte interessiert auf. Es ging immerhin um 3000 Euro. »Was willst du?«
    »Wo bist du jetzt gerade?«
    »Blankeneser Bahnhof. Vor dem Burger King.«
    »Mit deiner Rikscha?«
    »Jou.«
    »Ich kann das nicht am Telefon bequatschen. Pass auf: Du bleibst noch genau eine Viertelstunde an Ort und Stelle, dann fährst du über die Elbchaussee nach Teufelsbrück. Kennst du den kleinen Parkplatz vor dem Anleger?«
    »Den mit der Buskehre?«
    »Da stehe ich dann mit meinem Wagen. Alles klar soweit?«
    Oleg zögerte einen Moment lang. »Geht das auch ein bisschen später? Ich müsste noch was erledigen.«
    »Dann vergiss es! Ich brauch’ dich jetzt oder gar nicht. Wäre nur ein Klacks für dich. Und deine Schulden wären erledigt! Aber bitte, wenn du nicht willst…«
    »Nein, schon okay«, versicherte Oleg eilig. »Viertelstunde, dann Elbchaussee, Parkplatz Teufelsbrück – ich bin dabei!«
    »Wir sehen uns«, kam die knappe Antwort, dann legte Rufus auf.
    Oleg blieb einfach auf der Rückbank sitzen und las die Uhrzeit vom Handydisplay: 20.42 Uhr. Und schon legten die Don-Kosaken wieder los, eine Nummer erschien auf dem Display – die Handynummer von Max. Oleg stellte das Telefon kurzentschlossen wieder ab. Wenn er auf die Schnelle 3000 Euro machen könnte, müsste er vor Max und der Polizei seinen gespielten Schockzustand einfach noch ein Weilchen weiter treiben. Hier bot sich offenbar eine gute Chance. Und gute Chancen ließ sich Oleg nicht entgehen. Heute schon gar nicht. Einmal mehr ertastete er seine Jackentasche mit den Geldbündeln. Dabei kamen ihm Bedenken. Keine Ahnung, was Rufus von ihm erwartete. Vielleicht wäre es nicht so ratsam, dabei mit den Scheinen in der offenen Jacke herumzulaufen – vom Foto mit der toten Nastja ganz zu schweigen. Und falls er danach mit den Bullen Kontakt aufnahm, sollte das Zeug besser auch nicht in seiner Tasche stecken.
    Aber wohin damit, hier so auf die Schnelle?
    Nervös trommelten Olegs Finger auf dem Rikschasattel herum, während er fieberhaft nach einer Lösung dieses Dilemmas grübelte. Plötzlich unterbrach er den Trommelwirbel und grinste breit.
    »Er geht einfach nicht ran«, ärgerte sich Max und steckte sein Handy weg. »Dabei war eben besetzt.

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